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Anrechnung Einnahmen

Veröffentlicht:
12.01.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag liebes Expertenteam
ich gelange mit folgender Anfrage an Sie:
Eine Klientin hat eine Gutschrift vom CHF 180.00 von der Liegenschaftsverwaltung als Entschädigung von Lärmemissionen erhalten. Die Klientin erklärte, dass in ihrer Wohnung Verbesserungsarbeiten mit hohen Lärmemissionen durchgeführt seien, aus diesem Grund habe ihr die Liegenschaftsverwaltung CHF 180.00 als Entschädigung bezahlt.
Da es sich um eine Entschädigung handelt, stellt sich die Frage, ob die CHF 180.00 als Einnahmen anzurechnen sind.
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Sabine Bauer

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Bauer
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.
In Art. 9 SHG (Kt. Bern) ist der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe geregelt. Nach Art. 30 Abs. 2 SHG werden die eigenen Mittel und die Leistungsansprüche bei der Bemessung der Hilfe gegenüber Dritten in angemessener Weise angerechnet. Die SKOS-Richtlinien, die mangels anderslautender Bestimmung in der SHV in dieser Frage zur Anwendung gelangen, halten fest, dass prinzipiell das ganze verfügbare Einkommen einbezogen wird (Kap. E.1.1). Den Schadenersatz führen die SKOS-Richtlinien unter dem Grundprinzip Subsidiarität als vorrangige Leistung auf (Kap. A.4). Schadenersatz ist demnach anrechenbar, soweit damit nicht notwendige Ersatzanschaffungen getätigt werden müssen. Handelt es sich aber um Genugtuungsleistungen, dann dürfen diese gemäss Kap. E.2.1 erst ab einer höheren Freibetragsgrenze (Einzelperson Fr. 25'000) angerechnet werden.
Bei der von Ihnen erwähnten Gutschrift ist fraglich, ob es sich um Schadenersatz oder eine genugtuungsähnliche Leistung handelt. Bei einem Schadenersatz muss die Mieterschaft u.a. einen Schaden vorweisen (Art. 97 OR). Bei der Genugtuung braucht es u.a. einen immateriellen Schaden (Art. 49 OR). Bei der von Ihnen erwähnten Entschädigung von Lärmemissionen handelt es sich aber wohl um ein finanzielles Zugeständnis der Vermieterschaft, dass das Mietobjekt während der Lärmemissionen weniger wert war und die Mieterschaft einen zu hohen Mietzins leistete. Die Vermieterschaft kommt damit dem Herabsetzungsanspruch entgegen, welcher der Mieterschaft bei Mängeln an der Mietsache von Gesetzes wegen zusteht (Art. 259d OR). Es handelt sich damit nicht um einen Schadenersatz, sondern einen Werteausgleich. Hat die Sozialhilfe die vertragliche Miete während der Lärmemission übernommen, steht ihr letztlich diese Entschädigung zu (vgl. dazu Urteil des Bundesgericht 8C_39/2017 vom 7. Juli 2017 E. 3.2).
Nach dem Gesagten kann die Rechtsnatur der von Ihnen erwähnten Entschädigung nicht abschliessend beurteilt werden. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Entschädigung im Sinne eines Werteausgleichs, da das Mietobjekt während der Lärmemission weniger wert war. Eine solche Entschädigung steht der Sozialhilfe zu, sofern sie während der Dauer der Lärmemission die Miete finanziert hatte. Verhält es sich so, hat die Klientin diesen Betrag der Sozialhilfe zurückzuerstatten.
Ich hoffe, die Ausführungen können Ihre Frage beantworten.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder

Guten Morgen Frau Schnyder
besten Dank für Ihre facettenreiche Antwort. Ich schätze Ihre reflektierten Aussagen wirklich sehr.
Wünsche Ihnen noch eine gute restliche Woche.
Beste Grüsse
Sabine Bauer