Zum Inhalt oder zum Footer

Anrechnung "Auto zum Gebrauch"

Veröffentlicht:
10.01.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren
Die Fachfragen beziehen sich auf die Gesetzgebung und die Praxis im Kanton Zürich:

  1. Klient X ist nicht der Besitzer eines Autos, darf jedoch von einer Drittperson regelmässig kostenlos ein Fahrzeug nutzen (Privatgebrauch, er arbeitet nicht). Frage: kann diese "Gebrauchsleihe" bei Klient X als Einkommen angerechnet werden oder ist dies nicht statthaft?
  2. Klient X ist Besitzer eines Autos, dessen Wert unter Fr. 4'000.00 (Vermögensfreigrenze gem. SKOS-RL) liegt. Klient X geht keiner Arbeit nach und ist nicht auf das Auto angewiesen. Dürfte hier - trotz Unterschreiten des Vermögensfreibetrags - auf die Verwertung bestanden werden? Wenn nein: kann Klient X ein mutmassliches Einkommen angerechnet werden, wenn die Vermutung besteht, dass Autospesen (inkl. Versicherungen, Reparaturen, MFK etc.) nicht ohne Hilfe oder Zuwendungen Dritter finanziert werden können?
    Für Ihre Antwort danken wir Ihnen bestens und wünschen einen schönen Tag!

Zur Frage 1:
Gestützt auf das Subsidiaritätsprinzip (§ 2 Abs. 2 und § 14 SHG ZH) sind freiwillige Zuwendun-gen Dritter in der Sozialhilfe grundsätzlich voll als Einnahme anzurechnen soweit sie tatsächlich erbracht oder auf Grund von Zusicherungen ohne weiteres erhältlich sind (Wizent, 2014, S. 435). Davon kann abgesehen werden, wenn die Zuwendung im Sinne der sozialhilferechtlichen Zweckbe-stimmung und Ziele sind und wenn sie im Vergleich zu anderen Menschen, die in finanziell bescheidenen Verhältnissen leben nicht zu einer unbilligen Besserstellung führen (kein Luxus finanzieren). Das Handbuch der Berner Konferenz für Sozialhilfe und Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE) hält dazu im Stichwort „Freiwillige Leistungen Dritter“ fest, dass „sich die Zuwendungen in einem relativ bescheidenen Umfang bewegen, d.h. im aktuellen Budget nicht mehr als 20% des Grundbedarfs derjenigen Personen, die von der Leistung profitieren, ausmachen; die Zuwendungen ausdrücklich zusätzlich zu den Sozialhilfeleistungen erbracht werden (oft mit einer besonderen Zweckbestimmung). Treffe dies kumulativ zu, so könne auf die Anrechnung verzichtet werden.
Vorab ist daher zu klären, ob dem Klienten bei der Bedarfsbemessung die Kosten für Nutzung eines Autos zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder aus gesundheitlichen Gründen angerechnet werden können. Trifft dies nicht zu, ist die Nutzung des Autos auch wenn in der Sozialhilfe keine Kosten anfallen nicht mit den sozialhilferechtlichen Zielen zu vereinbaren. Dann bleibt zu prüfen, in wieweit die mit der Nutzung des Autos verbundene geldwerte Zuwendung anzurechnen ist. Das hängt vom Umfang der konkreten Nutzung ab. Diesbezüglich ist zu beachten, dass wenn die Sozi-alhilfebehörde einen konkreten Betrag als Einkommen anrechnet, sie den Beweis zu erbringen hat, dass das Auto tatsächlich in diesem Umfang genutzt wird. Das erfordert eine sehr sorgfältige Sachverhaltsabklärung durch Organe der Sozialhilfebehörde. Kann sie den Beweis nicht erbringen, so darf sie den Abzug nicht machen, vgl. hierzu VGer ZH, Urteil vom 24. Januar 2013, VB.2012.00688, E.4.1 bis E.4.4.
Zur Frage 2:
Liegt der Wert eines Autos unter dem Vermögensfreibetrag, so kann dessen Nutzung durch den Klienten nicht ohne nähere Prüfung abgelehnt werden. Gemäss verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung im Kanton Zürich kann im Einzelfall der Betrieb eines Autos im Rahmen der Dispositionsfreiheit über den Grundbedarf für den Lebensunterhalt finanziert werden. Die Sozialhilfebehörde hat jedoch sicherzustellen, dass mit der Nutzung des Autos der Grundbedarf nicht zweckentfremdet wird. Daher haben die Organe der Sozialhilfebehörde im konkreten Einzelfall zu prüfen, welche Kosten mit der Nutzung des Autos tatsächlich anfallen und ob diese ohne zusätzliche Verschuldung aus dem GBL getragen werden können. Kommen diese zum Schluss, das sei nicht möglich, kann die Hinterlegung der Nummernschilder unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips verlangt werden. Auch diesbezüglich liegt die Beweislast bei der Sozialhilfebehörde, vgl. hierzu VGer ZH, Urteil vom 19 November 2009, VB.2009.00563, E.2.
Das Vorgehen mit der Anrechnung vermuteter freiwilliger Zuwendungen Dritter ist nicht zielfüh-rend. Bei der Anrechnung von Einnahmen ist aus meiner Sicht das Tatsächlichkeitsprinzip streng zu beachten (Wizent, 2014, S. 211 ff). Bei der Anrechnung vermuteter Einnahmen müssen wiederum die Organe der Sozialhilfebehörde den Sachverhalt rechtsgenüglich erstellen und die Sozialhil-febehörde trägt die Beweislast für die vorgenommene Reduktion des GBL. Zudem ist mit der vermuteten Einnahme die zweckmässige Verwendung nicht ausreichend sichergestellt. Falls die vermuteten Einnahmen doch nicht fliessen oder nicht im vermuteten Umfang fliessen, ist die Zweckentfremdung zu vermuten.
Die relevanten Grundlagen zu den Fragestellungen zur Anrechnung von Autokosten und zur Sachverhaltsabklärung finden sich im Sozialhilfebehörden-Handbuch in Kap. 8.1.08 und 6.2.02.