Ist es richtig, dass bei der Sozialhilfe die HILO analog der IV-Rente als Einnahme angerechnet wird? Die Klientin macht geltend, dass ihre Tochter einen grossen pflegerischen und betreuenden Aufwand für sie betreibe und deshalb die HILO der Tochter gehöre. Im Prinzip ist die HILO tatsächlich als Entschädigung für diesen Aufwand gedacht. Spielt es evtl. eine Rolle, ob die Tochter (Verwandte) oder eine Drittperson die Dienstleistung erbringt?
Frage beantwortet am
Cathrin Habersaat-Hüsser
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrter Herr Schmid
Besten Dank für Ihre Anfrage. Zur Frage der Anrechnung: §2 Sozialhilfegesetz des Kantons Zürich (SHG ZH) regelt die Subsidiarität. Dort heisst es, dass andere gesetzlichen Leistungen, worunter die Hilflosenentschädigung (Hilo) zählt, berücksichtigt werden. So auch die SKOS Richtlinien im Kapitel F.1: „Weil finanzielle Unterstützung immer subsidiär zu den anderen Hilfsquellen geleistet wird, macht die Sozialhilfe grundsätzlich alle zulässigen finanziellen Ansprüche gegenüber Dritten geltend.“ Die Subsidiarität findet sich auch in Kapitel A.4. Dort ist noch deutlicher ausgeführt, dass kein Wahlrecht zwischen vorrangiger Hilfsquellen und der Sozialhilfe besteht, sondern die Möglichkeiten der Selbsthilfe, die Leistungsverpflichtungen Dritter (Privat- und öffentlich-rechtliche Ansprüche) und freiwillige Leistungen Dritter vorrangig durch die Klientel geltend zu machen sind. Die SKOS Richtlinien sind aufgrund §17 Abs. 1 Sozialhilfeverordnung Kanton Zürich (SHV ZH) anwendbar. Das Behördenhandbuch des Kantons Zürich führt in Kapitel 9.1.01 aus, dass die Hilo als Einnahme berücksichtigt werden kann, «wenn die Sozialbehörde die Auslagen für die Pflege und Betreuung der betroffenen Person als situationsbedingte Leistungen ins Budget einberechnet. Tut sie dies nicht, darf die Hilflosenentschädigung nicht als Einnahme angerechnet werden». In Kapitel 8.1.04 im Behördenhandbuch ist zudem festgehalten, dass beim Ausrichten einer Hilo immer zu prüfen sei, ob die Finanzierung der beantragten Krankheits- und behinderungsbedingten Spezialauslagen durch diese beglichen werden kann, sofern sie im Unterstützungsbudget nicht angerechnet wird und die Kosten den Betrag der Hilo nicht übersteigen. Denn diese dient ja gerade dazu, um einer in der Gesundheit beeinträchtigten Person die für alltägliche Lebensverrichtungen oder für die persönliche Überwachung notwendige Hilfe zu finanzieren. Sind die Kosten höher als die Hilo, so sind die Mehrkosten zu übernehmen, sofern die Voraussetzungen für eine Übernahme wie unten ausgeführt erfüllt sind (so auch das Verwaltungsgericht im Entscheid VB.2010.00181). Auch das Bundesgericht beschäftigte sich schon mit dieser Frage. „Die Hilflosenentschädigung verfolgt den gesetzlichen Zweck, die mit der Hilflosigkeit verbundenen präsumierten Kosten zu ersetzen. Entschädigt werden somit die behinderungsbedingt anfallenden Mehrkosten. Der Hilflosenentschädigung kommt folglich schadenersatzähnlicher Charakter zu (vgl. Robert Ettlin, Die Hilflosigkeit als versichertes Risiko in der Sozialversicherung, Diss. Freiburg 1998, S. 332 f.), und sie stellt - anders als etwa Renten oder Taggelder, die der Fristung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen - nicht Ersatzeinkommen dar. Die Geldleistung wird dem Hilflosen demzufolge im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung ausgerichtet und ist in diesem Sinne zweckgebunden. (…) Es erfolgt damit eine pauschalierte Entschädigung der behinderungsbedingten Aufwendungen“ (BGE 8C_731/2009 vom 25. Februar 2010, E.3.1). Soweit behinderungsbedingte Mehrkosten durch eine Hilflosenentschädigung gedeckt würden, werde dafür nach dem Grundsatz der Subsidiarität keine Sozialhilfe gewährt (BGE 8C_731/2009 vom 25. Februar 2010, E.3).
Somit ergibt sich als Fazit 1, dass eine Anrechnung der Hilflosenentschädigung als Einkommen im Umfang der durch die Sozialhilfe übernommenen behinderungsbedingten Kosten zulässig ist.
Welche Leistungen durch die Sozialhilfe im Rahmen von Situationsbedingten Leistungen (SIL) übernommen werden können, findet sich in den SKOS Richtlinien im Kapitel C.1.4: Hilfsmittel; Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause oder in Tagesstrukturen und Transport zur nächstgelegenen Behandlungsstelle, aber auch Prämien für Zusatzversicherungen zählen dazu, sofern die Kosten nicht durch die medizinische Grundversorgung gemäss KVG gedeckt sind und im konkreten Einzelfall sinnvoll, nutzbringend und ausgewiesen sind. Das Behördenhandbuch Kanton Zürich führt im Kapitel 8.1.04 dazu aus, dass ein grosses Ermessen seitens der Behörde besteht, was als SIL angerechnet werden kann. Massgebend sei bei der Einzelfallprüfung, „… ob die Selbständigkeit und soziale Einbettung einer unterstützten Person erhalten bzw. gefördert wird, oder ob grösserer Schaden abgewendet werden kann.“ Es wird auch festgehalten, dass sich die Sozialbehörde bei der Klärung des Anspruchs in vielen Fällen auf die Regelungen im Bereich der Ergänzungsleistungen abstützen kann (siehe dazu §§ 3 ff. Zusatzleistungsverordnung, ZLV ZH, LS 831.31). §11 Abs. 1 ZLV regelt, dass die Kosten für Hilfe, Pflege oder Betreuung bei zu Hause lebenden Personen vergütet werden, sofern diese aufgrund des Alters, Invalidität, Unfall oder Krankheit auftreten. Die anrechenbaren Tarife werden ebenfalls in Abs. 2-4 benannt. Da es sich hier um die Tochter handelt, kommt zusätzlich §12 ZLV zum Zuge: Abs. 1 «Werden die Leistungen durch Familienangehörige erbracht, werden höchstens die Kosten ihres Erwerbsausfalls vergütet. Abs. 2 Die Kosten werden nur vergütet, wenn die betreffenden Familienangehörigen a. nicht in der Berechnung der Ergänzungsleistungen der bedürftigen Person eingeschlossen sind und b. durch die Pflege und Betreuung eine länger dauernde, wesentliche Erwerbseinbusse erleiden». Dies müsste in Ihrem Falle geklärt werden. Der Sozialbehörde steht es bei der Prüfung zudem frei, bei einem ausgewiesenen Bedarf auch nach Alternativen zu suchen, die ebenfalls geeignet sind, aber kostengünstiger wären.
Fazit 2: Die Behörde hat einen Ermessensspielraum, ob SIL angerechnet werden oder nicht. Stützt sie sich auf die ZLV, spielt es eine grosse Rolle, ob die Tochter die Leistungen für Hilfe, Pflege oder Betreuung bei zu Hause lebenden Personen erbringt oder Dritte. Je nachdem kann eine Vergütung an die Tochter im Budget als SIL angerechnet werden, wenn die Voraussetzungen gemäss §12 ZLV erfüllt sind. Dann dürfte auch die Hilo als Einnahme angerechnet werden. Ist dies nicht der Fall und werden keinerlei SIL im Unterstützungsbudget berücksichtigt, so darf die Hilo nicht angerechnet werden, sondern der Betrag ist der unterstützen Person zu belassen (siehe Fazit 1). Auch eine allfällige Differenz müsste der Person belassen werden. Somit empfehle ich Ihnen der Einfachheit halber, die Hilo der Person zu belassen und sie anzuweisen, die entstehenden Kosten daraus zu begleichen. Sollten Mehrkosten geltend gemacht werden, dann wäre unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze die SIL zu berechnen.
Zu guter Letzt: Zu denken wäre auch an den Assistenzbeitrag der IV, dieser käme aber auch nicht der Tochter zu Gute, da diese in direkter Linie mit ihrer Klientin verwandt ist.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit beanwtortet zu haben.
Freundlich grüsst
Cathrin Habersaat