Guten Tag
Frau S. bezieht eine 1/4 IV Rente und EL.
Seit Mitte September (15.09.21) befindet sich Frau S. in einem stationären Klinikaufenthalt, welcher in den ersten Januartagen (05.01.22) zu Ende sein wird. Frau S. ist grundsätzlich durchgehend in der Klinik, kann aber an den Wochenende jeweils nach Hause.
Nachdem die EL über den Klinikaufenthalt informiert wurde, erhielt Frau S. eine angepasste Berechnung (Heimberechnung). Auf meine Rückfrage nach der rechtlichen Grundlage für diesen Entscheid erhielt ich von der SVA folgende Auskunft:
‚Der Fall von Frau S. sei so in der WEL nicht explizit geregelt. Die Praxis ergebe sich aus der Randziffer 3152.02 der WEL - da sie bis nach dem dritten vollen Kalendermonat nicht nach Hause zurückkehrt, wäre rückwirkend eine Heimberechnung vorzunehmen.‘
Sowohl ich, wie auch mein Team, machten bisher die Erfahrung, dass bei unseren Klientinnen keine Anpassung der Berechnung vorgenommen wurde, da stets klar ist, dass es sich um einen befristeten stationären Aufenthalt handelt. Aufgrund dessen stellt sich mir die Frage, wie die rechtliche Handhabung solcher Situationen aussieht?
Zusätzlich stellt sich die Frage, ob Frau S. dass volle hyp. EK angerechnet wird, wenn sie sich in einem stationären Klinikaufenthalt befindet - was in diesem Zeitraum mit einer 100% Arbeitsunfähigkeit einhergeht. Gilt dabei die Argumentation, dass die EL nicht zuständig ist für einen kurzfristigen Arbeitsausfall?
Vielen Dank.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag!
1. Für die Frage, wie für die Bemessung auf eine Heimrechnung umzustellen ist, ist primär das ELG zu beachten. Und Art. 10 Abs. 1 ELG sieht vor, dass die Regeln zur Berechnung "zu Hause" anzuwenden sind, wenn eine Person "nicht dauernd" oder "nicht länger als drei Monate" in einem Heim oder Spital lebt.
Das bedeutet vom Wortlaut her im Umkehrschluss, dass bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten, selbst wenn er wie hier von Vornerherein befristet ist, auf die Heimrechnung umzustellen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint mir die Praxis der SVA nachvollziehbar. Sie hätte es einfach mit der Gesetzesnorm begründen müssen
2. Es kommt in der Praxis aber auch vor, dass bei von Vornherein befristeten Heimaufenthalten (auch wenn sie wenig über drei Monate dauern), entgegen dem Wortlaut (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit b bis ELG), der dies nur für Heimaufenthalte bis drei Monate vorsieht, weiterhin die Rechnung zu Hause angewendet wird und die Heimtaxen als Krankheits- und Behinderungskosten zusätzlich berücksichtigt werden, unter Abzug der Kosten für die Verpflegung.
3. Für die Zeit, wo ein Klinikaufenthalt und die dazu gehörige Arbeitsunfähigkeit ein Einkommen verunmöglicht, darf dieses in die EL-Rechnung auch nicht angerechnet werden. Vgl. hierzu Urteil 9C_827/2018 vom 20.03.2019 E. 4.3 und E. 6.1 (im Original französisch): Der Versicherte kann die Vermutung eines hypothetischen Einkommens widerlegen, indem er nachweist, dass objektive und subjektive Umstände außerhalb der Behinderung, wie Alter, fehlende Ausbildung oder fehlende Sprachkenntnisse, persönliche Umstände oder die Arbeitsmarktlage, die Erzielung eines solchen Einkommens erschweren oder verunmöglichen. Maßgeblich für die Berechnung der EL ist das hypothetische Einkommen, das der Versicherte tatsächlich erzielen könnte. Dabei kann die EL-Stelle grundsätzlich auf die Feststellung der Invalidität durch die Organe der Invalidenversicherung beschränken (...) Wird jedoch für die Zeit nach Inkrafttreten des Invalidenversicherungsentscheids, aber vor der Entscheidung über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen, eine Änderung des Gesundheitszustandes behauptet, müssen die für Ergänzungsleistungen zuständigen Stellen selbstständig über den Gesundheitszustand des Versicherten entscheiden, basierend auf dem Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit."
Die Beweislast liegt bei der Klientin. Es ist ein fundiertes Arztzeugnis, eventuell auch ein Bericht der Klinik einzureichen, welche nachweisen, dass das Erzielen des hypothetischen Einkommens im entsprechenden Zeitraum nicht möglich war.
Ich hoffe, das dient Ihnen. Ich wünsche Ihnen schöne Festtage!
Prof. Peter Mösch Payot