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Aktivlegitimation der Gemeinde: Verpflichtung zur Abänderungsklage?

Veröffentlicht:
26.02.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Gemeinde bevorschusst einer sorgeberechtigten, geschiedenen Mutter die vollen Kinderunterhaltsbeiträge. Basis bildet ein Scheidungsurteil. Im Umfang dieser (vollständigen) Bevorschussung gehen gemäss Art. 289 Abs. 2 ZGB im Sinne der Legalzession nicht nur der Anspruch auf die Leistungen auf das Gemeinwesen über, sondern auch Nebenrechte, u.a. das Klagerecht auf Abänderung des Unterhaltes. In Bezug auf dieses Klagerecht kommt der Gemeinde die Aktivlegitimation zu.
Frage: Kann die Kindsmutter von der aktivlegitimierten Gemeinde kraft der Legalzession verlangen bzw. diese gar verpflichten, gegen den Unterhaltspflichtigen eine Abänderungklage beim Zivilgericht einzureichen?
Besten Dank für eine Einschätzung und
freundliche Grüsse,
Marco Kuhn

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Kuhn
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Es geht Ihnen um die Konstellation, wo das Gemeinwesen kraft Subrogation infolge Bevorschussung Partei im Unterhaltsverfahren wird. Sie stellen die Frage, inwieweit die Kindsmutter von der Gemeinde infolgedessen verlangen kann, Abänderungsklage für den subrogierten Teil einzureichen. Dabei stellt sich vorliegend die Frage, inwieweit das Kind selber neben der Gemeinde im Unterhaltsverfahren aktivlegitimiert ist. Kann es selber seinen Anspruch durchsetzen, besteht meiner Meinung nach keine Verpflichtung der Gemeinde, dies für das Kind zu tun.
Das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage in BGE 143 III 177 (siehe Beilage) auseinandergesetzt, jedoch aus der anderen Perspektive, nämlich der Passivlegitimation. In diesem Urteil ging es darum zu untersuchen, inwieweit bei einer Herabsetzungsklage, welche von dem Unterhaltsschuldner ausging, nicht nur das Kind beklagte Partei ist, sondern auch das Gemeinwesen. In diesem Urteil führt das Bundesgericht aus, dass das Kind bei der Subrogation des Gemeinwesens seine Gestaltungsrechte und prozessualen Befugnisse hinsichtlich des Dauerschuldverhältnisses (Unterhaltsverhältnisses) nicht verliert. Mithin bleibt das Kind auch dann noch neben dem Gemeinwesen passivlegitimiert, wenn dieses in zeitlicher und quantitativer Hinsicht vollständig in den Unterhaltsanspruch subrogiert (Erw. 6.3.3). Die Ausführungen des Bundesgerichts, welche die Passivlegitimation betreffen, sind auf die Aktivlegitimation übertragbar. Dies bedeutet, dass das Kind bei einer Subrogation des Gemeinwesens in Bezug auf das Grundverhältnisses uneingeschränkt aktivlegitimiert bleibt. Es verliert jedoch die Rechte an den einzelnen Forderungen, welche sich aus dem Grundverhältnis (dem Stammrecht) ergeben, und den damit verbundenen Nebenrechten wie Schuldneranweisung verlangen (Art. 291 ZGB). Bleibt das Kind neben dem Gemeinwesen für das gesamte Dauerschuldverhältnis aktivlegitimiert, ist es aus meiner Sicht auch legitim, dass es selber bzw. seine Mutter als gesetzliche Vertreterin Unterhaltsklage bzw. Abänderungsklage einreicht (dies auch im Sinne von Art. 11 Abs. 2 SHG AR). Insoweit kann die Mutter nicht ohne besonderen Grund (z.B. weil sie aus unverschuldeten Gründen verhindert ist) verlangen, dass das Gemeinwesen die Klage an die Hand nimmt.
Eine andere Frage ist, ob die wirtschaftliche Hilfe gekürzt werden kann, wenn die Kindsmutter dieser Aufforderung nicht nachkommt. Aufgrund dessen, dass die Sozialhilfe selber aktivlegitimiert ist somit Klage einreichen und damit das Dauerschulverhältnis für den Unterhalt überhaupt schaffen bzw. abändern kann (vgl. BGE 137 III 193 E. 3.3 und 3.8; für vergangene als auch künftige Forderungen), hat meiner Meinung nach die Sozialhilfe selber den Unterhalt einzuklagen, anstelle die wirtschaftliche Hilfe zu kürzen (zumal diesbezüglich noch zu beantworten wäre, wem die Pflichtverletzung zuzuschreiben ist, da die Mutter vertretungsweise handelt).
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort in der Weiterverfolgung der Angelegenheit gedient zu haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder