Guten Tag
Ein Patient (62 Jahre) wurde per Ende Januar gekündigt, es besteht kein Anspruch auf Krankentaggeld. Der Arbeitgeber empfiehlt die Frühpensionierung mit einer Übergangsrente, welche die Stadt (wo Patient angestellt war) ausbezahlt bis zur ordentlichen Pensionierung. Patient ist aktuell hospitalisiert und eine Rückkehr in die bestehenden Wohnverhältnisse ist aufgrund der hirnorganischen Erkrankung nicht mehr möglich. Übertritt in ein Altersheim wird geplant. Angehörige des Patienten regeln im Moment die administrativen & finanziellen Angelegenheiten. Patient hat noch Vermögen und müsste somit die Heimkosten sst. tragen, da kein Anspruch auf EL bei Übergangsrenten besteht.
Frage: Ist die AHV- Übergangsrente das Richtige in diesem Fall oder wäre eine IV- Anmeldung sinnvoller? Gibt es dazu noch etwas Wichtiges zu beachten? Was würde geschehen, wenn Patient innerhalb der 3 Jahren sein ganzes Vermögen für die Heimkosten aufbraucht?
Besten Dank für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.
Vorab: eine genaue Antwort bedarf in diesem Fall eine präzise Analyse der konkreten Regelungen und ergänzender Aspekte des Sachverhaltes.
Insbesondere sind der Reglemente der Pensionskasse genau zu analysieren, bevor eine präzise Antwort gegeben werden kann.
Ich beantworte im Folgenden mal die wesentlichen Aspekte. Rate Ihnen aber, den Patienten zu triagieren zu einer Rechtsberatungsstelle (z.B. von Procap oder Pro Infirmis, ev. besteht ja auch eine Rechtsschutzversicherung, damit direkt eine anwaltschaftliche Vertretung möglich ist), welche diese Abklärungen umfassend vornehmen kann.
Falls der Betroffene bzw. die Angehörigen diese Aspekte nicht selber regeln können, so wäre über die KESB eine Beistandschaft einzurichten, welche die notwendigen Ansprüche sichern kann.
Im Grundsatz gilt Folgendes:
A) Zur Frage der IV-Anmeldung
In einem solchen Fall ist eine IV-Anmeldung auf jeden Fall sinnvoll, wenn absehbar ist, dass die Gesundheitseinschränkung zu dauernden Einschränkungen führen kann, welche Leistungen der IV zur Folge haben können. Etwa Hilfsmittel, Hilflosenentschädigungen (wenn Probleme bei alltäglichen Lebensverrichtungen bleiben) oder auch Renten bei bleibenden zu erwartenden gesundheitsbedingten Einschränkungen des Erwerbs (auch für wenige Jahre). oder der Haushaltsführung. Erwerbseinbussen.
Eine erste entsprechende Abschätzung ist mit ärztlichem Rat möglich.
Eine Anmeldung bei der IV ist unbedingt VOR einem AHV-Vorbezug ratsam, weil so der Besitzstand ausgelöst wird. Das heisst, dass IV-Leistungen, die höher sind als die der AHV (Hilflosenentschädigung, Hilfsmittel, ev. auch Rente) so geltend gemacht werden und bleiben betragsmässig auch nach dem AHV-Vorbezug vorbehalten (ev. mit rückwirkender Gewährung, wenn der entsprechende Entscheid über die IV-Leistungen später erfolgt).
B) Die Anmeldung bei der IV ist in diesem Fall auch unabdingbar mit Blick auf mögliche Ergänzungsleistungen:
Besteht eine Hilflosigkeit (also ein Bedarf an Unterstützung für alltägliche Verrichtungen) oder eine Invalidität (oder ein Anspruch auf Taggelder zu IV-Eingliederungsmassnahmen von mehr als 6 Monaten) so kann in der hier vorliegenden Konstellation ein EL-Anspruch bestehen, wenn Einkommen und Vermögen des Betroffenen für die Kosten der Betreuung etc. nicht ausreichen.
Ob und wie ein Anspruch auf EL in dieser Situaion besteht, ist aufgrund der Einkommens- und Vermögenssituation im konkreten Fall zu prüfen. Siehe für eine primäre erste Prüfung: https://www.ahv-iv.ch/de/Sozialversicherungen/Erg%C3%A4nzungsleistungen-EL/Berechnung-Erg%C3%A4nzungsleistungen und die Details zum Anspruch auf EL unter https://www.ahv-iv.ch/p/5.01.d
Für die EL gilt auf jeden Falleine Vermögensschwelle von CHF 100000 (bei Einzelpersonen), bzw. von CHF 200000 bei Ehegatten (vgl. Art. 9a ELG). Ein EL-Aspruch kommt also erst in Frage, wenn der/die Betroffene ein entsprechend tieferes Vermögen hat.
Bei Hilflosigkeit im Sinne der IV oder einer Invalidität ist immerhin ein EL-Anspruch schon möglich vor einer altersbedingten Pensionierung. Ohne Invalidität oder Hilflosigkeit ist altersbedingt ein EL-Anspruch möglich, wenn die AHV vorbezogen würde. Das ist für Männer frühestens mit dem 63. Altersjahr.
Über die Ergänzungsleistungen können eventuell auch seitens der Krankenkasse und der Gemeinde ungedeckte Kosten der Pflege geltend gemacht werden als so genannte «kranken- und behinderungsbedingte Kosten».
Besteht eine Bedürftigkeit mit Blick auf Pflege, Betreuung etc., die nicht durch Eigenmittel oder die EL gedeckt wird, so wäre subsidiär ein Anspruch auf Sozialhilfe zu prüfen.
C) Wichtig ist die IV-Anmeldung auch mit Blick auf die Pensionskasse. Auch dort sind bei Invalidität Leistungen geschuldet, wenn der Gesundheitsschaden, der zur dauernden Erwerbseinbusse führt, eingetreten ist, als der Betroffene noch versichert war (Art. 23 BVG).
Grundsätzlich gilt dabei, dass Gesundheitsbeeinträchtigungen und Arbeitsunfähigkeiten, die noch während der Anstellung geschehen oder 30 Tage danach (Nachdeckung), gedeckt sind. Eventuell ergibt sich eine weitergehende Versicherungsdeckung aus dem Reglement der Pensionskasse. Eine Leistung der Pensionskasse wäre dann geschuldet, wenn eine solche Gesundheitsschädigung/Arbeitsunfähigkeit später zu einer dauernden Erwerbsunfähigkeit führt.
Vom Vorgehen her ist zur Sicherheit ratsam, die Invalidität mit dem Antrag auf Invalidenleistungen der PK bei der Pensionskasse mit der IV-Anmeldung direkt zu melden, bevor ein Bezug der Altersleistungen beantragt wird.
Normalerweise kann dann nach der Meldung der Invalidität bei der Pensionskasse danach die Frühpensionierung erfolgen und der Bezug der reglementarischen Leistungen erfolgen. Ob und wie die Übergangsrente gewährt wird, wenn die Frage nach Leistungen wegen Invalidität aus der PK noch offen ist, ist aber reglementsabhängig. Wie bei der Pensionskasse also genau vorzugehen ist, kann nur nach einer Analyse des Reglementes der PK beantwortet werden. Erste Abklärungen dazu sind am besten direkt bei der PK selber möglich.
D) Nebenbei: Eine Meldung für Arbeitslosentaggelder ist sinnvoll, wenn die Arbeitsunfähigkeit, die besteht, nach medizinischer Prognose vorübergehender Natur ist. Also, wenn noch eine Möglichkeit besteht, dass sich die Situation ev. in einigen Monaten wieder verbessern könnte (was ich von der Sachverhaltsschilderung her aber eher bezweifle). Dann müsste die ALV zumindest für 30 Tage Arbeitsunfähigkeit Taggelder gewähren (vgl. Art. 28 AVIG).
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot