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Abzug Kinderzulage vom Lohn

Veröffentlicht:
22.06.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Mein Klient bezieht sei zwei Jahren ein Krankentaggeld. IV ist angemeldet. Der Arbeitgeber hat ihm nun gekündigt per Ablauf des Krankentaggelds (720 Tage). 

Der Arbeitgeber habe ab dem 3. Monat des Krankentaggelds keine Kinderzulagen mehr erhalten. Ausbezahlt an meinen KL hat er sich aber weiterhin. Mit der letzten Lohnabrechnung hat er nun den ganzen Betrag in Höhe von CHF 3'600.00 abgezogen, verbucht unter Rückzahlung Vorschuss. Mein KL hat natürlich mit der Lohnzahlung gerechnet, sie aufgrund des Abzugs von CHF 3'600.00 aber nicht erhalten. Ist das zulässig?  

Danke für eine Antwort. 

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr B.

 

a) Die Vorfrage ist hier, ob hier seitens der Familienausgleichskasse Familienzulagen nach FamZG gewährt werden (und dann über den Arbeitgeber auszuzahlen sind). Sie ist folgendermassen zu beantworten:

 

Der Anspruch auf Familienzulagen für Arbeitnehmende bedingt einen AHV-pflichtigen Lohn. Der Begriff des Arbeitnehmers richtet sich nach der Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML).

Wird zwar AHV-pflichtiger Lohn ausgerichtet, besteht aber kein Arbeitsvertrag (mehr) und wird faktisch keine Tätigkeit (mehr) ausgeübt, so besteht kein Anspruch mehr auf Familienzulagen. (Rz. 501.2 und 501.3 der Wegleitung zum Bundesgesetz über die Familienzulagen; siehe https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6348#versions=19

 

Der Anspruch auf Familienzulagen entsteht und erlischt mit dem Lohnanspruch. Bei Arbeitsverhinderung, z.B. infolge Krankheit oder Unfall, werden die Familienzulagen für den Monat, in dem die Arbeitsverhinderung eintritt, und für die drei darauf folgenden Monate ausgerichtet, und zwar unabhängig davon, ob ein Lohn oder eine Versicherungsleistung bezahlt wird.

Nach Ablauf des laufenden und der drei Monate erlischt der Anspruch auf Familienzulagen.

Wenn aber auch nach Ablauf des laufenden und der drei folgenden Monate weiterhin ein AHV-pflichtiges Einkommen oder ein Taggeld nach EOG, IVG oder MVG von gesamthaft mindestens CHF 597 pro Monat, werden Ihnen die Familienzulagen weiterhin ausgerichtet. Taggeldleistungen der Unfall- und/oder Krankenversicherung sind hingegen nicht AHV-pflichtig und gelten daher nicht als Lohn. Insoweit besteht KEIN Anspruch auf Familienzulagen. (siehe Art. 10 Abs. 1 FAmZV und Rz. 597 der Wegleitung zum Bundesgesetz über die Familienzulagen; siehe https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/6348#versions=19

Zwischenfazit: Hier wurden die Familienzulagen seitens der FAK wohl zu Recht nicht weiter ausbezahlt an den Arbeitgeber.

b) Die Frage, ob aber der Arbeitgeber die geleisteten Familienzulagen, trotzdem auch geschuldet hatte, ist arbeitsrechtlicher Natur. Das heisst, es geht um die Frage, ob seitens des Arbeitgebers die ausbezahlten Kinderzulagen geschuldet waren gemäss Arbeitsvertrag oder, ob eventuell aus Treu und Glauben ein entsprechender Anspruch des Arbeitnehmers entstand. Ob er also davon ausgehen durfte oder ihm versprochen wurde, dass seitens des Arbeitgebers die Zulagen weiterhin gewährt werden, obwohl sie ja sozialversicherungsrechtlich während der Krankentaggeldes ab dem dritten Monat nicht mehr über die Familienausgleichskasse erstattet werden

 

 

Wenn ja, so ist der Rückerstattungsanspruch nicht bestehend. Wenn nein, so kann der Arbeitgeber die Rückerstattung als ungerechtfertigte Bereicherung verlangen.

 

Tatsächlich dürfte dafür entscheidend sein, ob die ausbezahlten Zulagen tatsächlich (nur) als Vorschuss gewährt wurden (wie über die Bezeichnung des Arbeitgebers suggeriert) oder nicht.

 

Letztlich sind das Beweisfragen, die auf der Basis der Erhebung von Beweisen (E-Mail-Verkehr etc.) geprüft werden müssen. Die Beweislast trägt der Arbeitgeber, weil er hier Leistungen zurückwill.

 

Vom Vorgehen her rate ich Ihnen, diese Beweisfragen und allfällige Beweismittel mit dem Klienten zu prüfen. Und wenn rechtens zuerst den Klienten zu unterstützen, beim Arbeitgeber die volle Auszahlung des letzten Lohnes zu verlangen.

 

Wenn dies nicht zum Erfolg wird, rate ich juristische Unterstützung (z.B. über einen Arbeitnehmerverband) in Anspruch zu nehmen.

 

Ich hoffe, das dient Ihnen.

 

Prof. Peter Mösch Payot