Guten Tag
Eine Klientin sagt, sie habe einen Abrufvertrag auf 80% und werde im Stundenlohn bezahlt.
Lange Zeit ging das ungefähr auf. In den letzten Monaten gab es weniger Arbeit und sie hatte oft nur eine Auslastung von 50%.
Könnte Sie auf der Zahlung der vertraglich vereinbarten 80% bestehen, da sie ja immer zur Verfügung stand?
(Ich habe Vertrag und allenfalls Anstellungsreglement leider bisher nicht einsehen können.)
Falls ja, und falls sie das geltend machen würde und es würde dann eine Kündigung erfolgen, wäre die dann als Kündigung zur Unzeit zu deklarieren?
Vielen Dank im Voraus
M.Blindow
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrter Herr Blindow
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Bei einem "Abrufvertrag über 80% und Entlohnung im Stundenlohn" kommt es wie Sie richtig ahnen, zum einen darauf an, wie der Vertrag konkret ausgestaltet ist. Nach schweizerischer Lehre und Praxis ist zwischen echter und unechter Arbeit auf Abruf zu unterscheiden. Bei echter Arbeit auf Abruf ist die tatsächlich geleistete Arbeit entsprechend dem vereinbarten Lohn zu entschädigen. Bereitschaftsdienst ist auch zu bezahlen, allerdings ist hier ein geringerer Lohn als bei der effektiv geleitsteten Arbeit zulässig. Von unechter Arbeit auf Abruf wird gesprochen, wenn der Mitarbeiterin die Möglichkeit hat, eine Aufforderung zur Arbeit zu kommen, abzulehnen. In diesem Fall liegt kein zu entschädigender Bereitschaftsdienst vor.
In der Praxis kommen auch weitere Formen vor, deren Zulässigkeit von Fall zu Fall abzuklären ist.
Im vorliegenden Fall scheinen mir zwei Dinge besonders wichtig zu sein.
Erstens, wie lange schon arbeitete die Klientin schon für fraglichen Betrieb und mit jeweils welchem konkreten Pensum? Angenommen, sie arbeitet schon viele Jahre im Betrieb und hat die letzten Jahre immer 80% gearbeitet, sp spricht dies dafür, dass der Vertrag stillschweigend in einen ganz normalen Arbeitsvertrag mit einem 80% Pensum mutiert ist. Wenn nun die Arbeitgeberin plötzlich nur noch 50% Arbeit anbietet und auch nur noch 50% entlöhnt, so liegt der Fall eines sogenannten Arbeitgeberverzugs (Art. 324 OR) vor, d.h. die Arbeitgeberin schuldet die restlichen 30% Lohn auch ohne Arbeit. Will die Arbeitgeberin das Pensum reduzieren, so ist dies auf dem WEge einer Änderungskündigung möglich, d.h., die Arbeitgeberin muss eine Offerte zu Anpassung des 80% Vertrages auf 50% Vertrag machen. Bis zum Ablauf der im konkreten Fall anwendbaren Kündigungsfrist gilt der alte 80% Vertrag.
Ganz wichtig ist, dass Ihre Klientin so oder so umgehend geltend macht, sie sie mit der Reduktion ihres Pensums nicht einverstanden ist.
Sie fragen weiter, wie eine allfällige Kündigung als Folge der Intervention Ihrer Klientin bei der Arbeitgeberin zu qualifizieren ist. In einem solchen Fall würde nicht eine Kündigung zu Unterzeit (Art. 336c OR), möglicherweise aber eine Missbräuchliche Kündigung im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR vorliegen. Die Kündigung wäre also möglicherweise zwar gültig aber missbräuchlich,was eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen zur Folge hätte.
Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli