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Abrechnung Sozialhilfe/Verrechnung mit ZL: regionale Durchschnittsprämie - IPV

Veröffentlicht:
18.09.2020
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

 

Es stellt sich die Frage,  ob der Sozialdienst in der Abrechnung die rückwirkend ausbezahlte Differenz zwischen der regionalen Durchschittsprämie der ZL zur Resprämie (der ordentlichen Prämie Minus IPV) berücksichtigt werden darf.

 

Besten Dank im Voraus und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Cathrin Habersaat-Hüsser

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Zoppi

Gerne gehe ich auf Ihre Frage ein. Rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe kann ganz oder teilweise zurückgefordert werden, wenn der/die Hilfeempfänger*in rückwirkend Leistungen von Sozial- oder Privatversicherungen oder von haftpflichtigen oder anderen Dritten erhält (§ 27 Abs. 1 lit. a Sozialhilfegesetz Kanton Zürich (SHG ZH)). Gemäss Behördenhandbuch Kanton Zürich, 15.2.02 ist dabei relevant, dass die nachträglich eingehenden Leistungen nur zurückgefordert werden dürfen, wenn sie sich auf denselben Zeitraum der Sozialhilfeausrichtung beziehen. Diese Zeitidentität oder zeitliche Kongruenz ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe (§2 Abs. 2 SHG ZH). Gemäss VB.2013.00227 vom 28.1.2016 trägt die Beweislast der geltend gemachten Rückerstattungsforderung die Fürsorgebehörde. Im Rahmen der ihr obliegenden Dokumentationspflicht ist die Fürsorgebehörde verpflichtet, in einer leicht verständlichen und nachvollziehbaren Abrechnung sämtliche Ausgaben sowie Einnahmen darzustellen (E. 3.2; E. 3.7f.).

§ 27 Abs. 1 lit. a SHG bildet auch die Grundlage von § 19 Abs. 2 SHG, wonach rückwirkende Leistungen von Sozial- oder Privatversicherungen sowie von haftpflichtigen oder anderen Dritten im rückerstattungspflichtigen Umfang direkt an die Sozialbehörde ausbezahlt werden können. Ich nehme an, Sie haben sich die Zusatzleistungen für die getätigten Sozialhilfeausgaben so direkt sichern lassen. Darüber hinaus besteht aber auch eine Spezialbestimmung für die Verrechnung von Nachzahlungen mit den bevorschussten Sozialhilfeleistungen: Art. 22 Abs. 4 Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV) erlaubt die direkte Nachzahlung der durch die öffentlichen Fürsorgestellen gewährten Vorschussleistungen für den Lebensunterhalt während einer Zeitspanne, für welche rückwirkend Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden.

Es lässt sich also festhalten, dass sowohl eine Sozialhilfe-Rückforderung bei der Klient*in wie auch eine Verrechnung der Nachzahlung einer Sozialversicherung grundsätzlich korrekt ist, sofern die zeitliche Kongruenz gewahrt wird.

In Art. 22 Abs. 5 ELV ist festgehalten „Hat ein Kanton in der Krankenversicherung Prämienverbilligungen während einer Zeitspanne gewährt, für die rückwirkend Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden, so kann der Kanton diese bei der Nachzahlung mit den bereits ausbezahlten Prämienverbilligungen verrechnen“. Teil der rückwirkenden EL bildet nämlich der jährliche Pauschalbetrag der EL an die Krankenkassen-Prämien (Art. 10 Abs. 3 lit. d ELG). In der  Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) RZ 4340.02ff. findet sich das konkrete Vorgehen: Die EL-Stelle setzt die Prämienverbilligungsstelle in Kenntnis und fordert sie auf, innert 30 Tagen einen allfälligen Verrechnungsantrag zu stellen. Mit der EL Reform ab 2021 entfällt diese Krankenkassen-Pauschalprämiennachzahlung dann aber.

Es stellt sich nun die Frage, ob der Überschuss, der nach Abrechnung der ausgerichteten IPV mit dem EL, respektive in Zürich ZL-Pauschalbetrag für die Krankenkassen-Prämien verbleibt, Einnahmen darstellen, die mit ausgerichteten Leistungen öffentlicher Fürsorgestellen verrechnet werden können. Dies ist sicherlich zu bejahen, wenn die Sozialhilfe ergänzend zur IPV wirtschaftliche Hilfe an die effektive Krankenkassen-Prämie geleistet hat. Aber selbst wenn keine WSH an die Krankenkassen-Prämie mehr geleistet wurde, sondern einfach allgemein WSH (Grundbedarf etc.) ausgerichtet wurde, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, den Überschuss mit dieser WSH zu verrechnen. Denn der Überschuss verliert nach der hier vertretenen Auffassung die Zweckgebundenheit und steht der ZL-Bezüger*in zur freien Verwendung. D.h. die Sozialhilfe ist befugt, den aus der Nachzahlung resultierende Überschuss zwischen IPV und EL-Pauschalbeitrag mit der erbrachten wirtschaftlichen Hilfe zu verrechnen. Dabei muss aber die zeitliche Kongruenz eingehalten werden. Dieses Vorgehen entspricht dem Subsidiaritätsprinzip, dass in 2 Abs. 2 SHG ZH festgehalten ist. Sämtliche verfügbaren Einnahmen sind demnach im Sozialhilfebudget zu berücksichtigen, das sehen die SKOS Richtlinien ebenso im Kapitel E.1 vor. Die SKOS Richtlinien sind gemäss §17 Abs. 1 Verordnung zum Sozialhilfegesetz (SHV) grundsätzlich anwendbar.

Nach dem Gesagten erachte ich es als rechtens, wenn der Sozialdienst die gesamte Differenz zwischen IPV und EL-Pauschalbeitrag mit den ausgerichteten Sozialhilfeleistungen verrechnet, unter Beachtung der zeitlichen Kongruenz.

Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.

Freundlich grüsst

Cathrin Habersaat

Sehr geehrte Frau Habersaat

Besten Dank für die sehr hilfreiche und ausführliche Antwort.

 

Eine Anschlussfrage stellt sich noch, wie es aussieht betr. der Lücke bei der Übernahme von Krankenkosten, in der Abrechnung wurden Krankenkosten (Behandlungsdatum aus dem Jahr 2019 /Rechnungsdatum 2020) in Rechnung gestellt, resp. vom Sozialdienst zurück gefordert, jedoch haben wir von den Zusatzleistungen keine Rückerstattung dafür erhalten. Von der zuständigen Sachbearbeiterin der Sozialhilfe haben wir folgende Antwort erhalten:

Dass es zu Lücken bei der Übernahme von Krankenkosten kommt, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen von Sozialhilfe und EL nicht vermeiden. Da aber aufgrund der Ausrichtung von Zusatzleistungen per 1. Januar 2020 kein Anspruch auf Sozialhilfe mehr besteht, können ab diesem Zeitpunkt auch keine Krankenkosten mehr berücksichtigt werden.

Ist diese Aussage korrekt?

Besten Dank im Voraus.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Zoppi

Frau Habersaat hat mir Ihre Rückfrage übergeben, die ich gerne beantworte.

Es ist in der Tat so, dass die Sozialhilfe und die EL bzw. ZL (auch) in Bezug auf die Finanzierung von Krankheitskosten nicht deckungsgleich sind. Generell hat die Sozialhilfe einen grösseren Ermessensspielraum wie die EL. So kann es durchaus sein, dass die von der Sozialhilfe finanzierten Krankheitskosten nun von der EL nicht rückvergütet werden, weil nach EL-Recht kein Anspruch darauf besteht.

Für die Sozialhilfe des Kantons Zürich ist zunächst § 15 Abs. 2 SHG massgebend. Danach hat die wirtschaftliche Hilfe die notwendige ärztliche oder therapeutische Behandlung und die notwendige Pflege in einem Spital, in einem Heim oder zu Hause sicherzustellen. Weiter sind nach § 17 SHV in dieser Frage die SKOS-Richtlinien massgebend - weder im Sozialhilfegesetz, in der Sozialhilfeverordnung noch in der Weisung der Sicherheitsdirektion gibt es weitere Regelungen zu diesen Thema.  

Nach den SKOS-RL übernimmt die Sozialhilfe die medizinische Grundversorgung (Kap. B.5 SKOS-Richtlinien), wozu die Prämie der KVG-Versicherung sowie Franchise und Selbstbehalt gehören. Darüber hinaus gehende Kosten, können nach den SKOS-Richtlinien im Rahmen von situationsbedingten Leistungen übernommen werden (Kap. C.1.4 SKOS-Richtlinien). Dabei muss die Sozialhilfe weitergehende Kosten übernehmen, wenn sie grundversorgend sind (C.1 SKOS-Richtlinien). Im Zürcher Behördenhandbuch für die Sozialhilfe, Kap. 8.1.03 ,  wird von sog. medizinischen Sonderleistungen gesprochen. Darunter fallen nach Handbuch u.a. Komplementär- oder Alternativmedizin, Psychotherapie ohne ärztliche Delegation, die nicht oder nicht vollständig von der obligatorischen Krankenversicherung gedeckt werden.

Die Rechtslage bei den EL bzw. Zusatzleistungen präsentiert sich wie folgt:

Nach dem Bundesgesetz über die Ergänzungsleistungen werden folgende Kosten unter dem Titel Krankheits- und Behinderungskosten übernommen (Art. 14 Abs. 1 ELG):

a.     zahnärztliche Behandlung;

b.     Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause sowie in Tagesstrukturen;

c.     ärztlich angeordnete Bade- und Erholungskuren;

d.     Diät;

e.      Transporte zur nächstgelegenen Behandlungsstelle;

f.      Hilfsmittel; und

g.     die Kostenbeteiligung nach Artikel 64 KVG.

Es handelt sich um eine abschliessende Aufzählung. Dies bedeutet, dass die EL neben Franchise und Selbstbehalt (Buchstabe g) nur vom KVG nicht gedeckte Leistungen übernimmt, wenn die betreffenden Leistungen unter Buchstaben a bis f fallen (wobei auch hier der Subsidiaritätsgrundsatz gilt, vgl. § 3 Abs. 1 Zusatzleistungsverordnung Kanton Zürich, ZLV). Nehmen wir das Beispiel der psychologischen Psychotherapie ohne ärztliche Delegation: Diese sind von der obligatorischen Krankenversicherung nicht als abrechenbare Kosten anerkannt. Sie können aber auch nicht über die EL finanziert werden, da die ankerannten Leistungsgruppen a bis f keine Basis dafür bieten.

Die Kantone müssen nach ELG die für die Leistungen a. bis g. zu finanzierenden Kosten im kantonalen Recht konkretisieren (Art. 14 Abs. 2 ELG). Im Kanton Zürich ist die bereits erwähnte Zusatzleistungsverordnung (ZLV) massgebend.

Fazit: Die EL bzw. ZL sind nicht deckungsgleich mit der Sozialhilfe in Bezug auf die Finanzierung von Krankheits- und Behinderungskosten. Wenn medizinische Kosten von der Sozialhilfe finanziert wurden, die nach ELG und ZLV nicht anerkannt sind, werden diese der vorfinanzierenden Sozialhilfe auch nicht rückvergütet.

Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben.

Ruth Schnyder