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Abmeldung nach Unbekannt

Veröffentlicht:
17.10.2025
Kanton:
Basel-Landschaft
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich habe folgende Situation: Ich bin Beiständin (Begleitbeistandschaft) von einem 38-jährigen Klienten. Dieser wohnte bis 31.07.2025 in der Gemeinde X und er bezog dort auch Sozialhilfe bis Juli 2025. Aufgrund eines Erbes von CHF 6'000.00 wurde er vorübergehend von der Sozialhilfe abgelöst.

Per Ende Juli verlor er, wegen Mietzinsauständen, seine 1-Zim.-Whg. in der Gemeinde X. Worauf er vorübergehend zu seiner Partnerin in der Gemeinde Y zog. Zusammen suchen sie eine Wohnung in der Gemeinde X. Klient will sich deshalb nicht in Y anmelden, dies sei nur sein momentaner Aufenthalt (c/o).

Klient hat seine ID verloren und wollte in der Gemeinde X eine neue ID bestellen. Dies wurde abgewiesen, weil der Klient per Ende August nach unbekannt abgemeldet wurde.

Er solle sich in der Gemeinde Y anmelden und dort eine ID bestellen.

Unterdessen ist sein Erbe aufgebraucht und er hat sich in der Gemeinde X für Sozialhilfe angemeldet. Diese prüfen nun Zuständigkeit.

Frage: Welche Gemeinde ist für die Bestellung einer ID und für Sozialhilfe zuständig?

Besten Dank im Voraus für die Bearbeitung meiner Fragen.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Frage. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den beiden Gemeinden X und Y um Baselbieter Gemeinden handelt. Insoweit handelt es sich um eine innerkantonale Zuständigkeitsfrage, bei welcher primär das Sozialhilfegesetz des Kantons Basel-Landschaft (SHG BL; Gesetz vom 21. Juni 2001 über die Sozial- und die Jugendhilfe; SGS 850) massgebend ist. Falls die beiden Gemeinden nicht im gleichen Kanton liegen, lassen Sie es mich wissen.

Gemäss § 4a Abs. 1 SHG BL ist für die hilfesuchende Person die Gemeinde am Unterstützungswohnsitz der hilfesuchenden Person zuständig. Bei Personen ohne Unterstützungswohnsitz ist die Gemeinde am Aufenthaltsort der hilfesuchenden Person zuständig. Für die Bestimmung des Unterstützungswohnsitzes, des Aufenthaltsorts und des Abschiebeverbots gelten die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG) sinngemäss (Abs. 2).

Die vorliegende Frage, wo sich der Unterstützungswohnsitz (nachfolgend: UWS) Ihres Klienten befindet, ist demnach innerhalb des Kantons Basel-Landschaft auf Grundlage des ZUG zu beurteilen.

Gemäss Art. 4 Abs. 1 ZUG befindet sich der UWS dort, wo sich der Bedürftige mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Die polizeiliche Anmeldung gilt als Wohnsitzbegründung, wenn kein früherer, späterer oder vorübergehender Aufenthalt festgestellt werden kann (vgl. Abs. 2). Den bisherigen UWS verliert der Bedürftige, wenn er aus dem Wohnkanton wegzieht (Art. 9 Abs. 1 ZUG). Bezogen auf die innerkantonale Rechtslage wäre dies die Wohngemeinde. Ist der Zeitpunkt des Wegzugs zweifelhaft, so gilt derjenige der polizeilichen Abmeldung (Abs. 2).

Ihren Angaben entnehme ich, dass bis zum Wohnungsverlust in der Gemeinde X sich der UWS auch dort befand, da der Klient bis zur Erbschaft von der Gemeinde X materielle Unterstützung erhielt und er danach seine Wohnsituation nicht veränderte. Erst die Kündigung aufgrund der Mietausstände veranlasste den Klienten in der Gemeinde Y bei seiner Freundin unterzukommen. Ferner gibt er an, wieder in der Gemeinde X, nunmehr zusammen mit der Freundin, eine Wohnung zu suchen. Bei dieser Ausgangslage handelt es sich um keinen Wegzug im Sinne von Art. 9 Abs. 1 ZUG, da für das Unterkommen bei der Freundin in der Gemeinde Y die Absicht der Vermeidung der Obdachlosigkeit im Vordergrund stand und der Klient zudem wieder in der Gemeinde X auf Wohnungssuche ist, d.h. zurück will.

Die Vermeidung von Obdachlosigkeit gilt als sog. Sonderzweck, welcher den bestehenden UWS nicht zu beenden vermag (dazu etwa das Verwaltungsgericht Zürich VB.2018.00660 vom 10. Januar 2019). Dasselbe ergibt sich auch aus dem Handbuch Sozialhilfe des Kantons Basel-Landschaft im Kapitel 15 «Besondere Personengruppen». Im Kapitel 15.9 «Personen ohne Unterstützungswohnsitz […]» wird von einer aktiven und unfreiwilligen Aufgabe des UWS geschrieben. Auch die SKOS stufen in ihrem Merkblatt zur örtlichen Zuständigkeit in der Sozialhilfe (2024), Ziff. 5.1., die Vermeidung von Obdachlosigkeit als Sonderzweck ein, der den bisherigen UWS nicht zu beenden vermag.

Das Verwaltungsgericht Zürich und die SKOS präzisieren, dass der Unterschlupf vorübergehend, d.h. zum Voraus auf eine kurze Zeit befristet, sein muss. Das ergibt sich in Ihrem Fall daraus, dass der Klient wieder in der Gemeinde X eine Wohnung sucht und der Unterschlupf bei der Freundin erst seit August 2025 besteht.

Aufgrund der geschilderten Sachlage ist von einem Sonderzweck im Sinne der Vermeidung der Obdachlosigkeit auszugehen, welcher den bisherigen UWS in Gemeinde X nicht zu beenden vermag. Daran ändert auch nicht die Abmeldung im Einwohnerregister seitens Gemeinde X, handelt es sich doch nach ZUG lediglich um eine Vermutung, die vorliegend aufgrund der dargelegten Umstände widerlegt werden kann.  

Dabei ist vorzubehalten, dass weitere Umstände, die mir nicht bekannt sind, zu einem anderen Ergebnis führen könnten, da sämtliche Sachverhaltselemente zu würdigen sind. So könnte beispielsweise die Rückkehrabsicht in Frage gestellt werden, wenn keine Suchbemühungen vorgewiesen werden können oder der Beschwerdeführer sich bei der Freundin komplett eingerichtet hat.

Der Vollständigkeit halber möchte ich auf die Zuständigkeit der Amtsstellen im Kanton Basel-Landschaft hinweisen. Gemäss Handbuch Sozialhilfe Basel-Landschaft klärt das Kantonale Sozialamt (im Auftrag einer Gemeinde) die Zuständigkeit betreffend Unterstützungswohnsitz zwischen den Gemeinden innerhalb des Kantons Basel-Landschaft ab (Kap. 3 Organisation der Sozialhilfe / Zuständigkeit […], 3.3.1. Feststellung der sozialhilferechtlichen Zuständigkeit). Es ist auch zuständig für die Klärung negativer Kompetenzkonflikte betreffend die sozialhilferechtliche Zuständigkeit mit anderen Kantonen.

Bei Ihrer zweiten Frage der zuständigen Behörde für die Identitätskarte handelt es sich nicht um eine sozialhilferechtliche Fragestellung. Laut einschlägiger Webseite ist die Wohnsitzgemeinde zuständig und diesbezüglich die Einwohnerkontrolle. Laut Verordnung über das Ausstellen von Ausweisen für Schweizer Staatsangehörige (SGS 113.11) des Kantons Basel-Landschaft gelten nach § 2 folgende Regeln:

Ausstellende Behörde des Kantons Basel-Landschaft gemäss Art. 4 Abs. 1 AwG sind das Passbüro in Liestal und das Passamt am Standort Spiegelhof in Basel (Abs. 1).

Verantwortliche Stelle gemäss Art. 4 Abs. 1 AwG[4] ist das Passbüro in Liestal (Abs. 1bis). 

Die Entgegennahme der Anträge für Identitätskarten ohne Chip und deren Weiterleitung an die ausstellende Behörde gemäss Abs. 1 ist Sache der Gemeinden (Abs. 2).

Anträge können über das Internet oder per Telefon oder durch persönliche Vorsprache beim Passbüro in Liestal gestellt werden (Abs. 3).

Soweit es sich um den Fall von Abs. 2 handelt, ist die Gemeinde zuständig. Vermutlich richtet sich die zuständige Gemeinde nach dem einwohnerregisterrechtlichen Wohnsitz, sie könnte sich aber auch aus dem zivilrechtlichen Wohnsitz (ZWS) ableiten. Letzterer ist ohne vertiefte Prüfung der Rechtslage meiner Meinung nach weiterhin auch in der Gemeinde X, da auch im Zivilrecht ein Aufenthalt zu einem Sonderzweck nicht den bisherigen ZWS beendet. Es handelt sich in diesem Fall auch nicht um einen fiktiven Wohnsitz im Art. 24. Abs. 1 ZGB, da der ZWS nicht aufgegeben wurde. Insoweit bin ich der Auffassung, dass auch der einwohnerregisterrechtliche Wohnsitz bestehen bleibt, da der ZWS ein wichtiges Indiz darstellt (dazu etwa das Schwyzer Handbuch Einwohnerwesen). Ich tendiere demnach dazu, dass die Gemeinde X den Antrag für die Neuerstellung der ID entgegennehmen muss.  Insoweit müsste auch der Registereintrag korrigiert werden. 

Ich hoffe, meine Ausführungen können Ihre Frage beantworten. 

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder