Ein Klient erbt Fr. 70'000.00. Er wird sofort von der Sozialhilfe abgelöst. In knapp zwei Jahren erreicht er die Frühpensionierung. Wie wird die Rückerstattung berechnet?
Wir gehen davon aus, dass berechnet wird, wieviel Geld er in den zwei Jahren benötigt und ihm dann der Freibetrag von Fr. 25'000.00 (Alleinstehend) überlassen wird. Die Differenz ist die Rückerstattung. Zugleich hat er ein unterschiedliches Erwerbseinkommen. Somit könnte die Rückerstattung eigentlich erst rückblickend berechnet werden.
Welches Vorgehen empfehlen Sie?
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Brand
Ihren Ausführungen zufolge entnehme ich die Frage, wie die Sozialhilfe mit einer Erbschaft eines Klienten hinsichtlich der Rückerstattung umgeht. Nicht ganz klar wird mir der Aspekt der verbleibenden Zeit bis zur Frühpensionierung. Ich nehme daher nachfolgend in grundsätzlicher Weise zum Vorgehen bei Rückerstattung in Vermögens- bzw. Erbschaftsfällen Stellung, und hoffe, dass sich damit die Handhabung des Ihnen vorliegenden Falles klärt.
(1) Gemäss Art. 40 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Bern vom 11.6.01 (SHG BE) sind Personen, die wirtschaftliche Hilfe bezogen haben, zu deren Rückerstattung verpflichtet, sobald sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verbessert haben.
Nach Art. 11b der Sozialhilfeverordnung des Kantons Bern vom 24.10.01 (SHV BE) liegt eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor, wenn die betreffende Person ein Vermögen aufweist, das über dem Betrag von Kapitel E.3.1 der SKOS-Richtlinien liegt (Art. 8 SHG BE nennt die massgebende Fassung). Der erwähnte Betrag (sog. Freibetrag) wird von den SKOS-Richtlinien (bis und mit Ergänzungen 12/2016) bei Einzelpersonen auf Fr. 25‘000, bei Ehepaaren auf Fr. 40‘000 sowie zuzüglich pro minderjähriges Kind auf Fr. 15‘000 festgelegt.
(2) Dies bedeutet, dass der den Freibetrag übersteigende Teil vollumfänglich der Sozialhilfe zur Verfügung steht, um mit erbrachten Unterstützungsleistungen zu verrechnen. Geht man in Ihrem Fall von einer Einzelperson aus, könnte bei einer Erbschaft von Fr. 70‘000 der Betrag von Fr. 45‘000 mit erbrachten Unterstützungsleistungen verrechnet werden. Fallen die rückerstattungspflichtigen Unterstützungsleistungen gerade in diesem Umfang oder noch höher aus, bleibt dem Klienten von der Erbschaft lediglich noch der Freibetrag von Fr .25‘000. Fallen die Unterstützungsleistungen weniger hoch aus, dann verbleibt ihm neben dem Freibetrag noch der Überschuss. Bei der Berechnung der rückerstattungspflichtigen Unterstützungsleistungen sind Art. 43 SHG BE sowie Art. 11a SHV zu beachten. Siehe zur Rückerstattung das BKSE-Handbuch/Handbuch für die Sozialhilfe im Kanton Bern, Kapitel Rückerstattungspflicht, Ziff. 1.1 und 4.3.2.
(3) Mit diesem Freibetrag wird der Klient sodann abgelöst bzw. ist er in ihrem Fall nun abgelöst worden. Wird er in Zukunft wieder bedürftig, so stellt sich dann die Frage, ob er mit dem Freibetrag (und einem allfälligen Überschuss) hätte länger ohne Sozialhilfe auskommen können. Im vorerwähnten Handbuch wird diese Thematik im Kapitel Erbschaften, Ziff 2, abgehandelt. Das Handbuch nennt die gesetzliche Grundlage nicht, stützt sich aber wohl auf Art. 40 Abs. 4 SHG BE. Danach müssen Personen, die ihre Bedürftigkeit in grober Weise selbst verschuldet haben, die wirtschaftliche Hilfe zurückerstatten, die ihnen deswegen ausgerichtet werden musste. Ob tatsächlich dann eine selbstverschuldete Bedürftigkeit vorliegt, die zu einer Rückerstattung der künftig auszurichtenden Unterstützungsleistungen führt muss im Einzelfall geprüft werden und darf natürlich nur im Umfang des „vergeudeten“ Freibetrags erfolgen. Zu bedenken ist, dass die Sozialhilfe der Klientschaft grundsätzlich keine Vorschriften machen kann, wie sie ihr Leben ausserhalb der Sozialhilfe führt. Ausserdem muss die Bedürftigkeit in grober Weise verursacht werden. Siehe zur Rückerstattung in solchen Fällen das Kapitel Rückerstattungspflicht im o.e. Handbuch, Ziff. 4.6.
D.h. in Ihrem Fall ist aktuell, wie oben dargelegt (2), die Rückerstattung von bereits bezogenen Unterstützungsleistungen infolge Erbschaft zu berechnen. Von der gesetzlichen Vorgehensweise her soll versucht werden, mit dem ehemaligen Klienten eine Vereinbarung zu treffen. Scheitert eine solche, ist die Rückerstattung zu verfügen. Siehe dazu Art. 44 SHG BE und Ziff. 4.2 des Kapitels Rückerstattungspflicht im o.e. Handbuch. Ob sich dann künftig jemals die Frage der Rückerstattung wegen Verursachung der Bedürftigkeit in grober Weise stellt (3), wird sich weisen.
Ich hoffe, Ihnen hilft die Antwort in der geschilderten Fragestellung weiter.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder
Guten Tag Frau Schneider
Besten Dank für die ausführliche Antwort.
In der Tat soll der Klient das - inzwischen noch verbleibende Jahr - von diesem Vermögen leben. Er ist selbständig erwerbend und erzielt ein monatlich unterschiedliches Einkommen. Welche Berechnung bzw. welches Vorgehen empfehlen Sie dazu?
Nochmal besten Dank und freundliche Grüsse
Franziska Brand
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag Frau Brand
Das Handbuch sieht im oben unter (2) erwähnten Kapitel Erbschaften, Ziff. 2 vor, wie in solchen Fällen der Bedarf zu bemessen ist. Mit dieser Methode können Sie feststellen, für welche Dauer der Klient mit dem Vermögensfreibetrag zuzüglich einem allfälligen Überschuss leben kann. Das ist aber lediglich eine Annahme, die angemessene Sonderausgaben nicht berücksichtigt. D.h. ihm sind daneben auch Ausgaben zuzugestehen, die ihm unter dem Titel der „In-grober-Weise-verursachten Bedürftigkeit“ nicht vorgeworfen würden. Bezüglich der Bedarfsbemessung besteht also ein wahrzunehmender Ermessensspielraum. Unter dem Gesichtspunkt, dass der Klient bei vorzeitiger Bedürftigkeit – soweit in grober Weise verursacht - gekürzt werden kann, ist es wohl gerechtfertigt den Klienten über die ungefähren Annahmen der Sozialhilfe und der Kürzungsbestimmung im Voraus aufzuklären (im Sinne des Kapitels Ablösung / Austrittsschwelle, Ziff. 2, des Handbuches), wobei darauf hinzuweisen wäre, dass auch weitere angemessene Ausgaben zugestanden werden.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder