Guten Tag
Wir beraten derzeit eine Mutter, deren Tochter vor ca. 2.5 Jahren nach einem Infekt an einer sehr seltenen Epilepsie-Form erkrankte. Es folgten vier Monate künstliches Koma und sieben Monate Reha-Aufenthalt. Die medizinischen Massnahmen wurden von der IV zweimalig abgelehnt, weil es sich bei der Epilepsieform nachgewiesen nicht um ein Geburtsgebrechen handelt. Der Art. 12 IVG kam ebenfalls nicht zum Tragen, weil zum Zeitpunkt der Verfügung im Januar 22 der Gesundheitszustand noch als zu instabil erachtet wurde und noch nicht absehbar war, ob das Mädchen unter Folgeschäden leiden wird. Heute geht es ihr glücklicherweise besser als zu Beginn befürchtet, aber dennoch hat sie gewisse kognitive Einbussen, ist auf eine Dauermedikation angewiesen und sie ist trotzdem nicht komplett anfallsfrei. Sie braucht darum noch eine nächtliche Überwachung und nimmt diverse Therapien in Anspruch. Von der IV-Stelle wurde ihr eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades zugesprochen.
Können Sie uns sagen, wann gemäss Art. 12 IVG ein Gesundheitszustand als annähernd stabil gilt und ob Ihrer Ansicht nach eine Neubeurteilung von medizinischen Massnahmen sinnvoll sein könnte?
Besten Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag.
Bei Geburtsgebrechen haben Versicherte gemäss Art. 13 IVG Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung des Leidens an sich.
Falls tatsächlich kein Geburtsgebrechen vorliegt (auch dies ist schlussendlich eine Frage der medizinischen Einschätzung, und es lohnt sich, dafür die fachärztliche Einschätzung einzuholen)
Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung in die obligatorische Schule, in die berufliche Erstausbildung, ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet sind.
Soweit es nicht um Geburtsgebrechen geht genügt es also für Leistungen der IV nicht, dass der Gesundheitszustand stabil ist. Es ist vielmehr zusätzlich insb. erforderlich, dass die Behandlung notwendig ist, damit die Eingliederung in die Schule, in die Erstausbilung, ins Erwerbsleben etc. gelingen kann.
Wenn ich Ihren Fall richtig interpretiere, ist das Kind hier noch im Vorschulalter. Deswegen dürften hier Massnahmen nach Art. 13 IVG noch nicht in Frage kommen.
Ich rate Ihnen aber, die Frage, ob nicht doch ein Geburtsgebrechen vorliegen könnte mit den behandelnden ÄrztInnen zu erläutern; ebenso die Frage nach der Stabilität des Gesundheitszustandes und der allfälligen Notwendigkeit von Behandlungen und Medikationn mit Blick auf die Schule/Sonderbeschulung.
Bei Bedarf kann es sich auch lohnen, in solchen Fällen mit Blick auf Leistungen der IV eine spezialisierte Beratung und Begleitung etwas der Procap in Anspruch zu nehmen.
Beste Grüsse
Peter Mösch Payot