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Ablehnung EL wegen hypothetischem Einkommen von Ehefrau (100% krankgeschrieben)

Veröffentlicht:
12.05.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Ein Ehepaar (62 und 60Jahre alt) bezieht wirtschaftliche Sozialhilfe. Herr X. bezieht volle IV-Rente. Frau Y. bezog vom 2005 – 2011 IV-Rente, verlor diese durch die Revision im Jahr 2011 und ist aktuell erneut in einem IV-Verfahren in Abklärung. Frau Y. ist zu 100% vom Hausarzt krankgeschrieben aufgrund diverser körperlicher und psychischer Leiden (Depression). Aus Sicht der Sozialhilfe muss Frau Y. keine Arbeitsbemühungen vorlegen, da sie nicht arbeitsfähig ist. Die EL für Herr X wurde abgelehnt, da ein hypothetisches Einkommen bei Frau Y. eingerechnet worden ist. Damit dies nicht eingerechnet werden muss, müsse Frau Y. 8 Bewerbungen pro Monat nachweisen können. Dabei spiele die 100% Krankschreibung keine Rolle (nicht IV-relevant), da sie gemäss IV Entscheid aufgrund des Ergonomischen Profils zu 100% erwerbsfähig ist. Was empfehlen Sie, soll Frau Y. Bewerbungen schreiben im Wissen, dass Sie die Stelle auf Grund Ihrer Gesundheit nicht antreten kann? Gibt es sonst noch Möglichkeiten? Was empfehlen Sie in solch einer Situation zu machen?

Alle Stellen (IV, EL und WSH) sind im Kanton Luzern.

Vielen Dank im Voraus für Ihre Empfehlung.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

Grundsätzlich wird in der EL das Einkommen, bzw. ein hypothetisches Einkommen einer nichtinvaliden Ehefrau für die Berechnung des EL-Anspruchs bei den anrechenbaren Einnahmen einbezogen.

Dabei ist die Möglichkeit, ein hypothetisches Einkommen zu erzielen, eine widerlegbare gesetzliche Vermutung (bzgl. Ehegatte vgl. Bger-Urteil 9C_293/2018 vom 16.8.2018). Die Beweislast liegt also beim Versicherten, dass das Einkommen nicht erzielbar ist. Die Praxis ist dazu streng.

Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nur relevant, wenn sie nicht vorübergehend ist und zu einer Revision der IV-Rente führt  (BGer_Urteil 9C_108/2019 vom 22.08.2019 E. 4.1). Ein hypothetisches Einkommen darf praxisgemäss selbst bei langfristiger, medizinisch bescheinigter Arbeitsunfähigkeit angerechnet werden, so lange das  IV-Verfahren noch offen ist (BGer_Urteil 9C_653/2018 vom 26.07.2019). Sollte im neuen IV-Verfahren für die Ehefrau allerdings ein Vorbescheid ergehen, so kann die dort vorgesehene Arbeitsunfähigkeit für den Wegfall des hypo. Einkommens im EL-Verfahren ins Feld geführt werden.

Ein hypothetisches Einkommen der nichtinvaliden Ehefrau fällt auch weg (vgl. Rz. 3521.03 WEL (Stand 1.1.2022):

- wenn die EL-beziehende Person  ohne den Beistand und die Pflege des nicht invaliden Ehegatten oder der nicht invaliden Ehegattin nachweisbar in einem Heim platziert werden müsste.

- wenn intensive und relevante Arbeitsbemühungen belegt werden können. Vgl. Rz. 3521.03 WEL (Stand 1.1.2022): 

"Der nicht invalide Ehegatte oder die nicht invalide Ehegattin findet trotz ausreichender Arbeitsbemühungen keine Stelle. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Person beim RAV zur Arbeitsvermittlung angemeldet ist, wenn sie die Anzahl der vom RAV vorgegebenen Bewerbungen nachweist und die Bewerbungen qualitativ ausreichend sind."

Gemäss der Praxis kann bei Ehegatten ein hypothetisches Einkommen auch nach dem 60. Geburstag eingerechnet werden.Man sollte in einer allfälligen Einsprache gegen die Anrechnung aber alle  Umstände im Einzelfall einwenden, die das mögliche Erwerbseinkommen beeinträchtigen können: So allfällige familiäre Betreuungsaufgaben, das Alter, Sprachhindernisse, die Ausbildung, bisherige Tätigkeiten, die Arbeitsmarktlage, die Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben, Pflege und Betreuungsaufgaben etc. All dies müsste aber gut belegt sein und kann meist höchstens dazu führen, dass der Betrag des anzurechnenden hypothetischen Einkommens reduziert wird (vgl. Rz. 3521.04 WEL (Stand 1.1.2022).  

Ich rate hier dazu, die Arbeitsbemühungen vorzunehmen und vorzulegen und sobald als möglich, die im neuen IV-Verfahren generierten und anerkannten Veränderungen des Gesundheitszustandes im EL-Verfahren einzureichen.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot