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Ablehnung BVG Rente

Veröffentlicht:
20.04.2023
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Grüezi

Frau D. wird rückwirkend per 01.02.2020 eine ganze IV-Rente erhalten. Sie war vom 01.08.2014 bis 31.05.2020 in einem 80% Pensum beschäftigt. Sie war ebenfalls in der 2. Säule versichert. Ab 20.02.2019 bis 31.05.2020 erhielt Frau D. ein KTG.

Die PK lehnt  nun eine IV-Rente ab. Der sachliche Konnex wird erfüllt, nicht aber der zeitliche. Aus den IV-Akten sei zu entnehmen, dass die Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit im Zusammenhang mit dem vorbestandenen Leiden seit der Jugend besteht. Seit der ersten Anmeldung bei der IV-Stelle bzw. seit der Anstellung beim AG wurde nie eine volle Arbeitsfähigkeit erlangt. 

Gemäss BGE 144 V 58 61 schien dem Gericht hingegen eine Arbeitsfähigkeit über 14 Monaten als genügend für einen Unterbruch der zeitlichen Konnexes. 

Dieser Anspruch müsste mittels juristischer Unterstützung beim Gericht eingeklagt werden?

Danke für Ihre Rückmeldung.

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

1. Für einen Anspruch gegenüber der Pensionskasse bei Invalidität muss ein Gesundheitsschaden eingetreten sein- und zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt haben- in einem Zeitpunkt, in dem eine Versicherungsunterstellung unter eine Pensionskasse bestand.

Und: der Gesundheitsschaden bzw. die daraus folgende Arbeitsunfähigkeit muss dann einen genügenden Zusammenhang haben mit dem Gesundheitsschaden und der daraus folgenden Erwerbsunfähigkeit (also der dauernden Erwerbseinbusse). Man spricht von sachlich und zeitlicher Konnexität.

Die sachliche Konnexität scheint im vorliegenden Fall gemäss der Fragestellung nicht umstritten zu sein: Das bedeutet, dass unbestrittenermassen die Gesundheitsbeeinträchtigung hinter der früheren Arbeitsunfähigkeit, die während der Anstellung (und der Versicherung bei der PK) erfolgte die gleiche ist, bzw. einen engen Zusammenhang mit der Beeinträchtigung, die zur Erwerbsunfähigkeit führt (Invalidität).

Umstritten ist aber der zeitliche Konnexität. Also die Frage, ob und inwieweit eine Phase der Arbeitsfähigkeit nach einer gesundheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit dazu führt, dass die spätere Invalidität nicht mehr genügend mit der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit verbunden sei. Man spricht von einem Unterbruch der zeitlichen Konnexität.

 

2. In BGE 144 V 58 befasst sich das Bundesgericht umfassend mit dieser Frage. Es weist darauf hin, dass die Praxis langezeit uneinheitlich war, welche Dauer und welcher Umfang eine Arbeitsfähigkeit haben muss, damit ein genügender Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit während einer PK-Unterstellung aufgehoben wird. Ein solcher Unterbruch hat dann die Folge, dass die Pensionkasse keine entsprechende Leistungspflicht hat.

Das Bundesgericht hält dabei fest, dass eine Unterbrechung des zeitlichen Konnexes dann anzunehmen ist, wenn während mehr als dreier Monate eine Arbeitsfähigkeit von über 80 % in einer angepassten Erwerbstätigkeit gegeben ist. Hingegen genügt dafür eine Arbeitsfähigkeit von 80 % gerade noch nicht zur Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs.

 

3. Anders ist die Rechtslage bei Schubkrankheiten (vgl. dazu Urteils 9C_170/2022 vom 16.8.2022). Bei solchen Krankheiten ist zu prüfen, ob eine länger als drei Monate dauernde, isoliert betrachtet unauffällige Phase von Erwerbstätigkeit tatsächlich mit der Perspektive einer dauerhaften Berufsausübung verbunden war.

Selbst eine länger dauernde Phase der Erwerbstätigkeit zeigt keine gesundheitliche Erholung mit weitgehender Wiederherstellung des Leistungsvermögens an, wenn jegliche berufliche Belastung nach einer gewissen Zeit regelhaft zu schweren Krankheitssymptomen mit erheblicher Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führt (Urteil 9C_111/2021 vom 11. August 2021 E. 2.3.1 mit Hinweisen).

 

4. Bei der gestellten Frage geht es g darum, ob eine invalidisierende Gesundheitsbeeinträchtigung zeitlich genügend mit einer Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang steht, die während der Unterstellung unter der PK entstand. Oder eher mit einer vorbestehenden Arbeitsunfähigkeit im Kontext eines Leidens seit der Jugend.

Die Kriterien sind dafür die selben wie oben unter Ziff. 1 bis 3 erwähnt: Falls nach der Gesundheitsbeeinträchtigung, die VOR der Unterstellung unter eine PK enstanden war, eine Arbeitsfähigkeit von über 80% während mindestens drei Monaten, so wurde der Zusammenhang mit der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit unterbrochen. Vorbehalten ist die Situation bei Schubkrankheiten, wie oben ebenfalls erwähnt.

Liegt ein solcher Unterbruch des zeitlichen Konnexes vor, so kann eine Verstärkung der Arbeitsunfähigkeit während der Unterstellung unter eine PK ihrerseits einen genügenden Konnex zur Invalidität entstehen lassen. Mit der Folge, dass die PK verpflichtet wäre, eine PK-Invalidenrente zu gewähren.

5. Schwierig ist der Beweis eines genügenden Sachzusammenhangs, der dann zu einer PK-IV-Rente berechtigen würde.

Beweisfragen stellen sich vorliegend  bei der Prüfung der von der PK behaupteten Konnexität der Invalidität mit der vorbestehenden Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeitsfolgen.

Im Weiteren bezüglich des Beleges des Unterbruchs der zeitlichen Konnexität mit der vorbestehenden Erkrankung.

Dafür sind die fragliche IV-Entscheidung und die dazu gehörigen Akten eine Ausgangslage. Es spielen aber eventuell auch ergänzende Arztzeugnisse, Dokumentationen beim früheren Arbeitgeber etc. eine Rolle.

Wegen der genannten Beweisprobleme ist hier, bei einer Ablehnung des Leistungsanspruchs durch die Pensionskasse, juristische Unterstützung angezeigt.

Ohne Einigung mit der Pensionskasse müsste der Anspruch dann auf dem Klageweg gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. Art. 73ff. BVG). Die Spezifitäten des Rechtsweges lassen hier ebenfalls eine juristische Unterstützung notwendig erscheinen.

Ich hoffe, das dient.

Prof. Peter Mösch Payot