Guten Tag
Unsere Gemeinde hat einen aktuell 63-Jährigen mehrmals seit 2003 mit materieller Hilfe unterstützt. Bei erneueter Gesuchstellung im Jahr 2019 hat er eine Abtretungserklärung unterschrieben in welcher festgehalten wurde, dass die Leistungen im vollen Umfang an die Gemeinde abgetreten werden.
Er konnte im 01/2021 von der WSH abgelöst werden und erhält nun eine IV-Rente mit EL. Er hat bei der Stiftung Auffangaufrichtung BVG die Auflösung seines Kontos beantragt. Diese hat nun mit uns Kontakt aufgenommen und fragt nach, ob wir die Gelder in der Höhe von Fr. 40'880.- freigeben werden.
Unsere Frage ist, ob wir diese Gelder beanspruchen können? Müssen erneute eine Rückzahlungsvereinbarung machen oder ist die Abtretung auch ohne zusätzliche Vereinbarung umsetzbar.
Hätte die Auszahlung an uns einen Einfluss auf seine EL, wenn ja, gäbe es einen Betrag der seine EL nicht schmälert? Besten Dank für eine Rückmeldung.
Guten Tag
Gerne ergänzen wir unsere Anfrage. Unser Klient stellte im Juli 2019 im Kanton Aargau erneut ein Gesuch um WSH. Er wurde bis im Januar 2021 mit Fr. 7900.- unterstützt. Ein Antrag auf eine IV Leistung stellte er im Unterstützungzeitraum. Das Drittauszahlungsgesuch wurde bei Rentensprechung abgelehnt, die genaue Begründung liegt bei Anfragestellung nicht vor.
Aufgrund der kleinen Freizügigkeitsleistungim oben genannte Summe ist alles. (Er hat sich seine PK schon mal auszahlen lassen, aufgrund einer Abmeldung ins Ausland).
Unsere Sozialkommission hat sich gefragt, wie die Ergänzungsleistung mit der Auszahlung des Betrages von 40'880.- Fr. umgeht. Wir würden unsere F. 7'900.- an die Gemeinde auszahlen lassen, der Rest kann dann an den Klienten ausbezahlt werden weil ältere Sozialhilfeschulden nicht mehr zur Rückzahlulung verwendet werden können. Die Verjährungsfrist ist abgelaufen.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Damit ich Ihre Anfrage rechtlich abgestützt beantworten kann, benötige ich die Angabe, in welchem Kanton Ihre Gemeinde liegt. Ausserdem bitte ich Sie um nähere Angaben im Zusammenhang mit dem IV-/EL-Bezug: Erhielt die Gemeinde eine Nachzahlung? Falls ja, konnte die Gemeinde sämtliche wirtschaftliche Hilfe für den Nachzahlungszeitraum abrechnen bzw. ist sie für diesen Zeitraum gedeckt? Bitte den Zeitraum angeben. Steht zweifellos fest, dass er keinen Anspruch auf eine BVG-Invalidenrente hat, wofür die fragliche Freizügigkeitsleistung benötigt würde?
Besten Dank, Ruth Schnyder
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Entschuldigen sie die verzögerte Antwort, aber ich habe erst heute bemerkt, dass Sie Ihre Anfrage ergänzt haben, da die Webseite mir keine Mitteilung gemacht hat. Ich melde mich in den nächsten 2 Tagen bei Ihnen.
Freundliche Grüsse,
Ruth Schnyder
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Nach der Rechtsprechung des Aargauer Verwaltungsgerichts WBE.2021.4 vom 6. Mai 2021 (in der Beilage) ist es zulässig aufgrund ausbezahlter Freizügigkeitsleistungen eine Rückerstattung aufgrund besserer wirtschaftlicher Verhältnisse gemäss § 20 Abs. 1 SPG / AG i.V.m. § 20 Abs. 1 SPV / AG zu verfügen. In diesem Urteil setzt sich das kantonale Gericht ausführlich mit dieser Thematik auseinander. Das Bundesgericht schützte mit BGE 148 V 114 diesen Entscheid, wies aber darauf hin, dass Freizügigkeitsguthaben einer beschränkten Pfändbarkeit nach Art. 93 SchKG unterliegen, dem jedoch im Rahmen eines allfälligen Betreibungsverfahrens Rechnung zu tragen wäre. Insoweit besteht im vorliegenden Fall ein Rückerstattungsrecht der Gemeinde auf die ausbezahlten Freizügigkeitsleistungen. Inwieweit eine Rückerstattung aufgrund von Bevorschussung § 12 SPG / AG möglich wäre, kann vorliegend nicht beurteilt werden, da sich die Bevorschussung an der Nachzahlung der IV orientieren würde, diese aber offenbar an die Gemeinde unterblieb. Ob dies von Seiten IV korrekt war, kann vorliegend nicht beurteilt werden, wäre aber zu überprüfen.
Der Rückerstattungsgrund nach § 20 Abs. 1 SPG / AG verlangt neben den verbesserten Vermögensverhältnissen auch, dass die Rückerstattung (ganz oder teilweise) zumutbar ist. Verbesserte Vermögensverhältnisse liegen vor, wenn Vermögen u.a. vorhanden ist (§ 20 Abs. 1 SPV / AG) und der Vermögensfreibetrag für eine Einzelperson von Fr. 5'000 überschritten wird (bei mehreren Personen in einer Unterstützungseinheit beträgt der Betrag Fr. 15'000; vgl. § 20 Abs. 2 SPV / AG). Angesichts des von Ihnen erwähnten Betrages besteht rechtlich gesehen ein Rückerstattungssubstrat und der in Betracht fallende Rückerstattungsbetrag kann damit grundsätzlich abgerechnet werden. Vorgängig wäre aber zu prüfen, ob Unzumutbarkeitsgründe vorliegen. Meiner Meinung nach könnte in diesem Punkt der beschränkten Pfändbarkeit nach Art. 93 SchKG (BGE 148 V 114 E. 7.4) Rechnung getragen werden und weiteren Aspekten der Unzumutbarkeit.
Über die Rückerstattung wäre in verfahrensrechtlicher Hinsicht eine Verfügung zu erlassen. Denn mit der Abtretung ist noch kein Einverständnis darüber erfolgt, in welchem Umfang die Sozialhilfe vom abgetretenen Vermögen für eine Rückerstattung beanspruchen darf. Es liegt lediglich ein Einverständnis darüber vor, dass die PK das Vermögen direkt an die Sozialhilfe auszahlen darf.
Bei der EL stellt sich die Frage, ob sie diese Rückerstattung seitens Sozialhilfe beim für den Vermögensverzehr massgebenden Vermögen berücksichtigt. Die Frage der Vermögensschwelle (Art. 9a ELG) spielt keine Rolle, da das Freizügigkeitsguthaben darunter liegt. Für den Vermögensverzehr wird das Reinvermögen, das bei einer Einzelperson Fr. 30'000 überschreitet, berücksichtigt (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG). Das Reinvermögen wird ermittelt, indem vom Bruttovermögen die nachgewiesenen Schulden abgezogen werden (Art. 17 Abs. 1 ELV). Dazu gehören auch Schulden gegenüber der Sozialhilfe, welche vom Vermögen abzuziehen sind (siehe zu Sozialhilfeschulden das Urteil des Bundesgerichts 9C_365/2018 vom 12. September 2018 Erw. 3.2 und 5.7), bevor es für den Vermögensverzehr angerechnet wird. Angesichts dieser Rechtsprechung dürfte meiner Meinung nach die EL die Begleichung der Forderung gegenüber der Sozialhilfe auch nicht als Vermögensverzicht wegen übermässigem Vermögensverbrauch einstufen, auch wenn diese Rechtsänderung nach dem Urteil in Kraft gesetzt wurde (der Rückerstattungsbetrag würde sich im Übrigen noch im zulässigen Vermögensverbrauch bewegen Art. 11a Abs. 3 ELG). Ein entsprechender Gerichtsentscheid liegt aber nicht vor.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder