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2 Frage nzu einer Klientin

Veröffentlicht:
11.06.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag
Ich habe da 2 Fragen aus der Praxis:

  1. Sozialhilferecht: Ich berate eine Klientin, welche laut Budget der Sozialhilfe, gut 300.- unter dem Existenzminimum mtl. ausweist. Nun weigert sich die SH die Zahnarztkosten der Kinder oder die Brille derselben zu übernehmen. Wie können wir ggf. vorgehen, um diese Beträge einzuholen?
  2. Arbeitsrecht: Dieselbe Klientin hat vor 10 Jahren bei einem Tierarzt gearbeitet, der ihr Ex-Mann ist. Er ist in Berlin wohnhaft. Sie erhält seit nunmehr 10 Jahren kein Arbeitszeugnis und dasselbe wäre relevant für die weitere Stellenvermittlung. Welche Option gibt es, dasselbe einzuholen?
    Grüsse
    Diego von May
    Fachstelle für persönliche Beratung in Rheinfelden

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr von May
Ich würde gerne kurz zurückfragen:
Verstehe ich das richtig, dass die Mutter mit ca. Fr. 300 von der Sozialhilfe unterstützt wird? Sind die Kinder dabei eingerechnet? D.h. gehören sie zur Unterstützungseinheit?
Erfolgt die Unterstützung durch eine Aargauer Gemeinde?
Mit welcher Begründung verweigert die SH die Übernahme der Zahnarzt- und Brillenkosten?
Zur Zeugnisfrage: Befand sich der Arbeitsort in der Schweiz oder in Deutschland?
Besten Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder

Guten Tag
Sorry dass es so lange dauerte.
Nein, die Frau weist mit ihrem monatlichen Budget 300.- mehr Ausgaben denn Einnahmen aus. Die Sozialhilfe unterstützt allfällige Beträge wie Zahnarztbesuche u.a. da sich die Familie rein mit dem Lohn des Vaters nicht finanzieren könnte. Die Kinder, der Mann und die Frau = Familie gelten als Unterstützungseinheit hier.
Die SH erfolgt durch eine Aargauer Gemeinde.
Betreffs des Zeugnisses: Der Ex-Arbeitgeber und Ex-Partner der Frau arbeitet in Berlin.
Grüsse

Frage beantwortet am

Anja Loosli Brendebach

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr von May
Ich habe aus zeitlichen Gründen die Beantwortung Ihrer Anfrage von Ruth Schnyder übernommen und gebe Ihnen gerne folgende Antwort:

  1. Ihre sozialhilferechtliche Frage: Aufgrund Ihrer Ausführungen habe ich den Eindruck, dass die Familie als Unterstützungseinheit von der Sozialhilfe unterstützt wird, die Sozialhilfe nun aber Zahnarztkosten der Kinder und die Kosten für eine Brille nicht übernehmen will. Ich bin mir aber nicht ganz sicher. Der Sachverhalt könnte meiner Meinung nach auch so verstanden werden, dass die Familie nicht unterstützt wird, aufgrund der knappen finanzielllen Lage nun aber Zahnarztkosten und Kosten für eine Brille nicht bezahlen kann. Ich werde deshalb beide Sachverhalte beantworten.
    a) Familie wird unterstützt
    In § 17 des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (SPG) des Kantons Aargau vom 06.03.2001 steht, dass bedürftige Personen Anspruch auf die Sicherung ihrer Existenz haben, wobei ein menschenwürdiges Dasein unabdingbar sei. Der Regierungsrat regle die Art und die Höhe der Leistungen. In § 10 der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung (SPV) werden für die Bemessung der materiellen Hilfe die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-RL) als verbindlich erklärt. Dort werden in Kapitel C die sog. situationsbedingten Leistungen geregelt. Diese Leistungen werden je nach besonderen gesundheitlichen, wirtschaftlichen, persönlichen und familiären Verhältnissen ausgerichtet. Bei der Beurteilung, ob die Kosten übernommen werden, spielt das Eressen der Behörde eine wichtige Rolle. Je nach Art der situationsbedingten Leistung kann es sehr klein oder sehr gross sein, wobei die Nichtgewährung in jedem Fall fachlich zu begründen ist. Nach Kapitel C.1.4 SKOS-RL sind Leistungen im Bereich der Gesundheit dann zu übernehmen, wenn sie über die medizinische Grundversorgung nach KVG hinausgehen, jedoch im konkreten Einzelfall sinnvoll, nutzbringend und ausgewiesen sind. Konkret ausgeführt wird dazu, dass Zahnarztkosten für die jährlichen Zahnkontrollen und die Dentalhygiene zu übernehmen sind. Weitere Kosten für den Zahnarzt sind zu übernehmen, wenn die Behandlung nötig ist und in einer einfachen, wirtschaftlichen und zweckmässigen Weise erfolgt. Ausser in Notfällen sei vor jeder Behandlung ein Kostenvoranschlag zu verlangen. Die Kosten würden zum SUVA-Tarif oder dem Sozialtarif des jeweiligen Kantons übernommen. Für Ihren Fall bedeutet dies für mich, dass die Sozialhilfe - da die SKOS-RL im Kanton Aargau ja anzuwenden sind - die Kosten zwingend übernehmen muss, wenn es sich um die jährliche Kontrolle oder die Dentanhygiene handelt. In allen übrigen Fällen sind die Kosten zu übernehmen, wenn sie nötig sind (war das bei den Kindern so? Hatten sie z.B. ein Loch oder musste die Zahnstellung korrigiert werden?). Wenn die Zahnbehandlung Ihrer Ansicht nach notwendig war, so belegen Sie dies am besten mit einem Bericht des Zahnarztes, aus dem hervorgeht, weshalb er was gemacht hat. Falls die Familie nicht vor der Behandlung um Kostengutsprache gebeten hat, so können Sie dennoch versuchen zu belegen, dass die Behandlung notwendig war und die Familie allenfalls nicht informiert darüber war, dass sie vor der Behandlung hätte anfragen müssen (dies gilt für Notfallbehandlungen - wie oben ausgeführt - natürlich nicht). Wobei ich der Meinung bin, dass die Kosten für die notwendigen Behandlgungen auch bei verspäteter Anfrage zu übernhemen sind, soweit die Behandlung zweckmässig war und die Rechnung nach dem verlangten Tarif gestellt ist.
    Auch die Brille erachte ich als situationsbedingte Leistung des Bereichs Gesundheit nach Kapitel C.1.4 SKOS-RL. Sie stellt für mich ein Hilfsmittel dar, wobei die Kosten dafür auch nur zu übernehmen sind, wenn die Brille eben notwendig war, was von den Klienten zu beweisen ist (am besten mit einer Bestätigung eines Arztes oder allenfalls auch Optikers, aus der hervorgeht, weshalb eine neue Brille beschafft werden musste. Wurde die Sehstärke schlechter? Wurde neu z.B. eine Hornhautverkrümmung diagnostiziert? Ist das Kind gewachsen und braucht ein grösseres Brillengestell?). Das Brillengestellt muss zudem zweckmässig und einfach sein. Nicht notwendige oder über die Einfachkeit und Zweckmässigkeit hinausgehende Kosten dürfen von der Sozialhilfe abgelehnt werden.
    b) Familie wird nicht unterstützt
    In diesem Fall gelten grundsätzlich meine Ausführungen unter a) hievor. Allerdings handelt es sich dann um eine einmalige Leistung nach Kapitel C.1 SKOS-RL, die beantragt werden kann, um eine drohende Notlage abzuwenden. In diesem Fall müsste dargelegt werden, dass aufgrund der knappen Finanzen eine finanzielle Notlage entstehen würde, wenn die Zahnarztkosten und die Kosten für die Brille selbst finanziert werden müssten.
  2. Ihre arbeitsrechtliche Frage: Ich bitte Sie, diese Frage im Formum Arbeitsrecht zu stellen, da ich über kein Expertenwissen in diesem Bereich verfüge.
    Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben.
    Freundliche Grüsse
    Anja Loosli Brendebac