«Selbst Alltagsstress gilt als unerkannte Depression»
Werden Antidepressiva zu schnell verschrieben? Wann helfen sie? Psychiatrieforscher Michael Hengartner gibt Antworten.
Antidepressiva werden von Hausärzt*innen vorschnell verschrieben, dabei wirken sie oft kaum besser als Placebo. So die Kritik aktueller Studien.
Im Juli 2019 zeigte eine Studie des Forschernetzwerkes Cochrane in Kopenhagen, dass Antidepressiva nicht wesentlich besser wirken als Placebo. Gleichzeitig nehmen heute immer mehr Schweizerinnen und Schweizer Antidepressiva zu sich. Viele Hausärzt*innen verschreiben diese offenbar gerade bei leichten Depressionen sehr schnell. In der Schweiz gibt es zwar keine verbindlichen Handlungsempfehlungen für Ärzt*innen. Aber die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde empfiehlt bei leichten Formen von Depressionen ausschliesslich Psychotherapie sowie andere, nicht medikamentöse Behandlungen.
Die Medienbeiträge, die in letzter Zeit erschienen, nehmen diese Thematik auf und weisen auf weitere problematische Seiten von Stimmungsaufhellern hin. So hat eine Forschergruppe der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Juni 2019 eine Meta-Studie publiziert, die ein 2.5 mal höheres Suizidrisiko bei der Einnahme von Antidepressiva festgestellt hat.
Ein Forscher der ZHAW kritisiert in einem Interview mit dem Tagesanzeiger, dass Pharmafirmen nicht all ihre Studien herausgeben und jene zurückhalten, die keine oder geringe Wirkungen von Medikamenten zeigen. So führen finanzielle Interessen der Pharmakonzerne indirekt dazu, dass die Wirkungen von Antidepressiva überschätzt und Nebenwirkungen tendenziell verharmlost werden.
Werden Antidepressiva zu schnell verschrieben? Wann helfen sie? Psychiatrieforscher Michael Hengartner gibt Antworten.
Die Wirksamkeit von Antidepressiva werde übertrieben, sagt der Zürcher Forscher Michael Hengartner. Auch, weil viele Psychiater mit der Pharmaindustrie verbandelt seien.
Erstmals zeigt eine Studie, wie verbreitet die Medikamente in der Schweiz sind. Das Urteil: Depressive werden oft fehlbehandelt.
Die Einnahme von Antidepressiva erhöht in klinischen Studien das Suizidrisiko. Dies haben Forschende der ZHAW sowie der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Salzburg herausgefunden, welche in einer Meta-Studie diverse Medikamentenstudien ausgewertet haben.
Wenn Antidepressiva, statt zu helfen, die seelische Not eines Menschen noch größer machen, ist das nicht nur eine Absurdität, es kann tödlich enden. Der Autor erlitt durch das Versagen von Big Pharma einen unwiederbringlichen Verlust: Seine Frau beging nach der Einnahme von Psychopharmaka Suizid. Ein Risiko, über das Ärzte und Packungsbeilagen bis dahin geschwiegen hatten. Man sollte meinen, dass es leicht wäre, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Ähnliches in Zukunft zu verhindern. Nicht aber, wenn der Gegner ein mächtiges Kartell ist: die Pharmaindustrie, gegen die Politik und Gerichte kaum aufzubegehren wagen.
Eine Studie zweifelt die Wirksamkeit von Antidepressiva an und sorgt für Verunsicherung. «Puls» nennt Alternativen.
Viele Menschen berichten von starken Beschwerden wie Ängsten, Unruhe und Missempfindungen, wenn sie Antidepressiva absetzen - selbst dann, wenn die Wirkstoffmenge nur langsam reduziert wird. Immer mehr spricht dafür, dass Ärzte solche Entzugserscheinungen lange unterschätzt haben.
Antidepressiva können sexuelle Störungen auslösen, die teilweise Jahre andauern. «Beunruhigend», sagt ein Mediziner.
Die Wirksamkeit von Antidepressiva wird immer wieder infrage gestellt. Eine systematische Analyse zeigt nun, dass alle 21 untersuchten Medikamente besser als ein Placebo wirken, aber unterschiedlich gut.