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Arbeitsmarkt: Ethnische Diskriminierung von Stellensuchenden

März 2021

Aktuelle Studien zeigen, dass sich Personen mit Migrationshintergrund, aber auch Schweizer*innen mit einem ausländischen Namen öfter bewerben müssen, um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten. Auch im Sozialwesen kommt es zu Benachteiligungen.

Vor kurzem sind zwei Studien erschienen, die belegen, dass ethnische Diskriminierung bei der Auswahl von Bewerbenden auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt eine Realität ist. 

Auch zweite Generation betroffen

So hat ein Forschungsteam an der Universität Neuenburg in einem Feldexperiment fiktive Bewerbungsunterlagen auf Stelleninserate verschickt. Einem Teil der Kandidat*innen gaben sie typisch schweizerische Namen, dem anderen  ausländische Namen. Die Kandidat*innen mit ausländisch klingendem Namen stellten sie in den Bewerbungsunterlagen als perfekt integrierte Arbeitssuchende der zweiten Generation dar. Sie verfügten über einen Schweizer Pass und wiesen einen linearen Lebenslauf auf, das heisst: ohne Schulprobleme, Umorientierungsphasen oder Arbeitslosenzeiten. Weiter wiesen sie schweizerische Sprachkenntnisse, sowie Ausbildungsabschlüsse und Berufserfahrungen in der Schweiz aus. Als Resultat zeigte sich: Die Bewerbenden mit ausländischem Namen mussten im Feldexperiment im Durchschnitt 1,3-mal mehr Bewerbungen schreiben als ihre gleich qualifizierten Mitbewerbenden mit typisch schweizerischem Namen, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Am stärksten war die Diskriminierung gegenüber kosovarischen Bewerbenden (1,4), gefolgt von solchen mit kamerunischen Wurzeln (1,3). Auch die Bewerbenden aus Frankreich und Deutschland erhielten weniger häufig eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (1,2). 

ETH-Studie zu Benachteiligung von Ausländer*innen

An der ETH Zürich untersuchte eine Forschungsgruppe während 10 Monaten auf der JobRoom-Plattform des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), wie Personalvermittler nach Kandidat*innen suchten. Dabei zeichneten sie alle Klicks auf der Plattform auf. Anhand von 3,4 Millionen Ansichten von Lebensläufen erhoben sie, wie viel Zeit die Personalvermittler mit jedem Lebenslauf verbrachten und wen sie kontaktierten. Als Resultat kam heraus, dass Arbeitgebende zwar genauso viel Zeit für das Anschauen von Lebensläufen von ausländischen wie schweizerischen Bewerbenden verwendeten. Sie kontaktierten die ausländischen Bewerbenden jedoch 6,5 mal weniger häufig.

Diskriminierung bei der Besetzung von Kaderstellen im Sozialbereich

Bereits in einer früheren Studie von 2018 haben Forschende der Universität Neuenburg untersucht, ob hochqualifizierte Bewerbende mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Kaderpositionen in sozialen Institutionen diskriminiert werden. Tatsächlich konnten sie zeigen, dass Arbeitgebende hochqualifizierte Kandidat*innen mit Migrationshintergrund bei Stellenbesetzungen für Kaderpositionen weniger berücksichtigen als schweizerische Kandidat*innen. Besonders gross sind die Vorbehalte der Arbeitgebenden, wenn die Kandidat*innen ihre Ausbildung in einem Drittstaat absolviert haben – auch dann, wenn sie inzwischen Berufserfahrungen in der Schweiz gesammelt haben und eingebürgert sind. Die Chance erhöht sich leicht für jene, die über eine schweizerische Ausbildung verfügen. Grösser sind die Chancen hingegen, wenn es um Leitungsstellen der mittleren Hierarchiestufe geht oder das Zielpublikum der Institution einen hohen Anteil an Migrant*innen aufweist.

Positive Auswahlkriterien übersehen

In der Befragung bestätigten Arbeitgebende, dass sie die im Ausland erworbene Ausbildung der Kantdidat*innen als negatives Kriterium bewerteten. Kritisch ist dabei laut den Forscher*innen, dass sie diese derart negativ bewerteten, dass sie andere, positive Kriterien weitgehend ignorierten, wie zum Beispiel die langjährige Berufserfahrung in der Schweiz. Weiter gaben Arbeitgebende mangelhafte Sprachkenntnisse als Ausschlussgrund an. Bei Kandidierenden mit deutscher Standardsprache als Muttersprache wiederum hatten sie Vorbehalte wegen deren vermuteter Eloquenz und der damit verbundenen Annahme, dass sich Mitarbeitende und Klient*innen „bedroht“ fühlen könnten. Das Problem hier: Die Arbeitgebenden haben Bewerbungen aufgrund von nicht überprüften Vermutungen ausgeschlossen.

Fehlende Vernetzung vermutet

Als weiteren wichtigen Ausschlussgrund haben Arbeitgebende eine vermutete fehlende Vernetzung in lokalen Netzwerken angegeben. Bei sozialen Institutionen, die auf externe Finanzierung durch die öffentliche Hand oder durch Spenden angewiesen sind, erachteten die Arbeitgebenden die Vernetzung in der lokalen oder regionalen Politik als besonders wichtig für die Sicherung und das Fortbestehen der Institution. Diese Begründung mag zwar gut nachvollziehbar sein, aber auch hier ist problematisch, dass die Arbeitgebenden Bewerbende allein aufgrund einer Vermutung ausgeschlossen haben.

EKR

Diskriminierung von hochqualifizierten Personen mit Migrationshintergrund im Sozialbereich?

April 2018

Die Studie mit dem Titel « Diskriminierung von Hochqualifizierten mit Migrationshintergrund im Sozialbereich? » kommt zum Schluss, dass insbesondere auf dem Arbeitsmarkt des Sozialwesens Vorurteile gegenüber Hochqualifizierten mit Migrationshintergrund bestehen und dass es zu Diskriminierungen kommt. 

SKMR

Studie "Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen"

Grundlagen zum Diskriminierungsschutz in der Schweiz

Die im Auftrag der Bundesverwaltung verfasste Studie hatte zum Ziel, zu klären, ob die in der Schweiz zur Verfügung stehenden Rechtsnormen in der Praxis einen effektiven Schutz vor Diskriminierung gewährleisten und wie der Zugang zur Justiz für von Diskriminierung betroffene Personen ausgestaltet ist.

EDI

Arbeitswelt ohne Diskriminierung Massnahmen gegen rassistische Diskriminierung am Arbeitsplatz

Studie von 2003

Die Broschüre zeigt auf, welche konkreten Massnahmen Arbeitgeber/innen ergreifen können, um potenzielle Konflikte im Unternehmen und die Risiken von Diskriminierung am Arbeitsplatz bei der Personalsuche und in der Berufsbildung zu vermeiden. Die Publikation fasst die Forschungsergebnisse einer Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS zusammen. Die vollständige Studie kann ebenfalls als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

Diskriminierungsrecht

Handbuch für Jurist_innen, Berater_innen und Diversity-Expert_innen

Das Handbuch bietet einen breiten Einblick in die Bedeutung des Rechts zum Abbau von Diskriminierung. Es berücksichtig die aktuellste Rechtsprechung und Literatur zum schweizerischen und internationalen Recht und ist sowohl für Praktiker als auch Wissenschaftlerinnen ein nützliches Nachschlagewerk. Das Handbuch ist nach Lebensbereichen aufgeteilt und bietet ausgehend von jeweils überblickartigen Darstellungen des Diskriminierungsvorkommens vertiefte Informationen zum materiellen Recht und zum Rechtsverfahren sowie zur Bedeutung des Rechts in der Diversity-Politik. 

Humanrights.ch

Diskriminierung in der Arbeitswelt: Rechtslage in der Schweiz

Diskriminierungsverbot - Dossier

In dieser Rubrik finden sich Dokumentationen zur Rechtslage bezüglich Diskriminierungen in der schweizerischen Arbeitswelt. Dabei werden unterschiedliche Bezugspunkte von Diskriminierung wie Geschlecht, Herkunft, Religion und Behinderung berücksichtigt. Ebenfalls thematisiert werden die Vorgaben des Freizügigkeitsabkommens mit der EU / EFTA. Aufgebaut ist das Dossier entlang der Stationen Bewerbungsverfahren, Arbeitsverhältnis und Kündigung.


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