Eine Klientin von mir arbeitet als fachangestellte Betreuung in einem Teilzeitpensum in der Pflege. Sie ist alleinerziehende Mutter von einem jährigen Kind. Da sie unterschiedliche Arbeitszeiten hat, u.A. auch Nacht- und Wochenenddienste, ist sie auf ein Auto angewiesen, da sie ihren Arbeitsplatz mit den ÖV je nach Einsatzzeit nicht erreichen kann. Hinzu kommt, dass meine Klientin ein Kleinkind zu Hause hat und das Fahrzeug für die Regelung der Kinderbetreuung, die unentgeltlich innerfamiliär geregelt ist, massiv erleichtert. Nun ist ihr Fahrzeug abgelegen. Vorübergehend kann sie ein Fahrzeug von einer Freundin ausleihen, diese benötigt das Fahrzeug aber bald wieder selbst, weshalb dies keine Dauerlösung ist. Meine Klientin hat geprüft, ob sie ein Auto leasen kann. Diese Option kommt leider nicht in Frage, da das Leasing infolge ihrer Betreibungen abgelehnt wurde. Nun hat meine Klientin zwischenzeitlich eine gut erhaltene Occasion frisch ab MFK inkl. 24. Monate Garantie für knapp Fr. 4'000.00 gefunden. Natürlich könnte ein billigeres Fahrzeug angeschafft werden. Allerdings wären da keine Garantieleistungen zu erwarten und frisch ab MFK ist es dann vermutlich auch nicht. Bei den letzten Occasionen ist meine Klientin leider nicht gut gefahren. Die Fahrzeuge haben nicht so lange ihren Dienst erbracht wie erhofft, weshalb meine Klientin nun vorsichtiger geworden ist und gerne ein Fahrzeug mit Garantie kaufen möchte. Sie hat sich wegen der letzten Fahrzeuge, die sie auch angeschafft hatte wegen der Arbeit in der Pflege, bereits verschuldet. Die Abzahlungen dieser Schulden laufen z.T. heute noch. Wir sind nun dabei, Anträge bei Stiftungen und Fonds zu stellen. Im weiteren hat meine Klientin beim Betreibungsamt angefragt, ob sie die Anschaffung eines Fahrzeuges berücksichtigen würden. Meine Klientin hat im Dezember eine Gratifikation vom Arbeitgeber erhalten, welche infolge der laufenden Lohnpfändung vollumfänglich ans Betreibungsamt ging. Obwohl das Fahrzeug aufgrund der Erwerbstätigkeit meiner Klientin zwingend erforderlich ist, lehnt das Betreibungsamt die Berücksichtigung der Anschaffung des Fahrzeuges ab und wird die Gratifikation an die Gläubiger verteilen. Das Pfändungsjahr läuft Ende Januar 2018 ab. Ist dieses Vorgehen vom Betreibungsamt korrekt? Oder gibt es eine Möglichkeit, dass das Betreibungsamt diese Investition berücksichtigen muss? Wie ist die Rechtslage?
Frage beantwortet am
Doris Platania
Expert*in Schuldenberatung
Sehr geehrte Frau Aberhalden,
vielen Dank für Ihre Frage. Leider hat sich die Antwort aufgrund der Komplexität hingezogen.
Die Bundesgerichtsentscheide, die ich zu dem Thema finden konnte, bezogen sich auf die Pfändung eines Autos, bzw. "Nicht" -Pfändung, wenn es sich um ein so genanntes Kompetenzstück zur Durchführung einer Erwerbstätigkeit handelt. Leider nicht um die Neu- bzw. Wiederanschaffung.
Meines Erachtens müssten auch die Kosten rund um die Haltung eines Kraftfahrzeuges beim Betreibungsamt angerechnet werden können (Kraftfahrzeugsteuer und MFK), was auch die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges beinhaltet, wenn es im finanziellen Rahmen bleibt. Die Rechtslage scheint mir nicht ganz eindeutig zu sein.
In der Regel werden nur die laufenden Benzinkosten und die durchschnittlichen Unterhaltskosten berücksichtigt. Das Bundesgericht hat es in einem Urteil des Jahres 1978 (BGE 104 III 73 18. Arrêt du 19 septembre 1978 dans la cause B. S.A.) jedoch als zulässig bezeichnet, überdies auf den für den Arbeitsweg zurückgelegten Kilometern monatlich die Amortisation anzurechnen.
Sie könnten aufgrund von diesem Urteil versuchen, die Neuanschaffung des Fahrzeuges zu begründen und falls es nicht genehmigt wird, Beschwerde einzureichen. Das sollte auch jetzt noch möglich sein, auch wenn das Geld schon an die Gläubiger verteilt wurde.
Falls Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, können Sie sich gerne nochmals melden.
Freundliche Grüsse
Doris Platania