Zum Inhalt oder zum Footer

Abgrenzung der Aufgabenbereiche Finanzen / Administration

Veröffentlicht:
15.09.2023
Kanton:
St. Gallen
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Damen und Herren

Gerne wende ich mich mit untenstehender Frage an Sie.

Sachverhalt:

Ich bin Beiständin von einer Frau nach Art. 394 Abs. 1 ZGB mit folgenden Aufgabenbereichen:

a. stets für eine geeignete Wohnsituation bzw. Unterkunft von Person XY besorgt zu sein und sie bei allen in diesem Zusammenhang erforderlichen Handlungen soweit nötig zu vertreten,

b. Person XY beim Erledigen der administrativen Angelegenheiten soweit nötig zu vertreten, insbesondere auch im Verkehr mit Behörden, Ämtern, Banken, Post, (Sozial-)Versicherungen, sonstigen Institutionen und Privatpersonen.

Die Frau wurde bis im Sommer 2023 von der Sozialhilfe unterstützt. Nebst der finanziellen Hilfe wurden z.B. ebenfalls die Steuern erledigt, sodass die Frau diese nur noch überprüfen und unterzeichnen musste. Es folgte eine Erhöhung der IV-Rente, wodurch meine Klientin nicht mehr durch die Sozialhilfe unterstützt wird. Ich habe den Aufgabenbereich Finanzen nicht. Meine Klientin will dies unter keinen Umständen, da sie sich vor der zusätzlichen Einschränkung fürchtet. Ich respektiere ihre Selbstbestimmung und würde eine Erweiterung der Massnahme erst beantragen, wenn meine Klientin tatsächlich überfordert ist und es zu einem entsprechenden Schutzbedarf kommt.

 

Nun gelangt meine Klientin mit diversen Aufgaben, wie dem Ausfüllen und Einreichen der Steuern sowie dem Einsenden von Rückforderungsbelegen an die Krankenkasse oder Sozialversicherungsanstalt, an mich. Intern in unserer Organisation bestehen verschiedene Ansichten, ob es sich dabei um administrative oder finanzielle Aufgaben handelt. Beim Beispiel des Einsendens von Rückforderungsbelegen hätten wir keine Kontrolle darüber, was tatsächlich an meine Klientin ausbezahlt wird, zumal wir keinen Einblick in die Konti haben. Beim Beispiel der Steuern hätten wir ebenfalls keinen Zugriff auf die Kontoauszüge, jedoch würde die Klientin da wohl kooperieren. Zur Info: Die Klientin hat durch den Wechsel von Sozialhilfe zu IV/EL kein Erspartes, wodurch z.B. die Steuererklärung nicht gegen Bezahlung durch eine Drittperson erledigt werden könnte.

 

Können Sie mir sagen, wo sich die Aufgabenbereiche Finanzen und Administration abgrenzen? Wie würden Sie die Situation einschätzen; umfasst die genannte Massnahme das Ausfüllen der Steuern und das Einreichen von Rückforderungsbelegen für die Klientin?

 

Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi

Die Vertretung in administrativen Angelegenheiten ist nach meinem Dafürhalten in der Regel mit einer Einkommens- und Vermögensverwaltung zu kombinieren, sonst macht das Vertretungsrecht - gerade wegen Abgrenzungsschwierigkeiten -wenig Sinn. Wenn die Klientin ihr Einkommen und Vermögen selbst regeln kann und will, dann dürfte eine Begleitung in administrativen Angelegenheiten genügen.

Die Aufgabenfelder führen in der Tat zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Der Bereich «Administration mit Banken» ist m.E. zu offen formuliert und führt zu Legitimationsproblemen mit den Banken, wenn nicht gleichzeitig auch eine Einkommens- und Vermögensverwaltung besteht (vgl. auch Maranta, in: Rosch/Fountoulakis/Heck, Handbuch Kindes- und Erwachsenenschutz, N 1269 ff.). Nach Maranta kommt es zwischen den Bereichen Administration und Einkommens- und Vermögensverwaltung zu Abgrenzungsfragen. Bei der Einkommens- und Vermögensverwaltung handelt es sich «ausschliesslich um die Entgegennahme bestehender Einkünfte und deren Verwendung zur Erfüllung von bestehenden Zahlungsverpflichtungen; um das Zur-Verfügung-Stellen von finanziellen Mitteln an die betroffene Person; sowie um Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte über das bestehende Vermögen» (Maranta, in: Rosch/Fountoulakis/Heck, Handbuch Kindes- und Erwachsenenschutz, N 1252). Gemäss der «Empfehlungen Vermögensverwaltung der KOKES-SBVg» vom Juli 2013 (abrufbar aud www.kokes.ch > Dokumente) steht im Falle einer Vertretungsbeistandschaft ohne Vermögensverwaltung (Art. 394 ZGB) das Auskunfts- und Verfügungsrecht allein der Kundin zu, es sei denn, die KESB habe bezüglich des Auskunftsrechts gestützt auf Art. 392 Ziff. 3 ZGB oder im Rahmen der Vertretungsbeistandschaft etwas Anderes angeordnet. Zwar haben Sie auch ein Vertretungsrecht im Verkehr mit Banken, das dürften aber nicht zum Auskunftsrecht führen bzw. das Bankgeheimnis «lüften» (Estermann/Hauri/Vogel, in: Rosch/Fountoulakis/Heck, Handbuch Kindes- und Erwachsenenschutz, N 397).

Sie können und sollen die Klientin unterstützen und befähigen, diese Aufgaben selbst zu erledigen (vgl. Rosch Leitfaden für Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände, 3. Auflage, 3.3.; Maranta, in: Rosch/Fountoulakis/Heck, Handbuch Kindes- und Erwachsenenschutz, N 1272). Sollte das nicht funktionieren, haben Sie zwar die Befugnis, die Steuererklärung (Verkehr mit Ämtern) auszufüllen und Rückforderungsbelege einzureichen (Verkehr mit (Sozial-)Versicherungen). Dazu muss die Klientin, die bezüglich ihrer Finanzen voll handlungsfähig ist, mitwirken und Ihnen notwendige Bankunterlagen abliefern und wahrheitsgetreue Auskunft erteilen. Ich rate Ihnen, dass Sie die Klientin die Steuererklärung selbst unterzeichnen lassen, da sie im Finanzbereich voll handlungsfähig ist. Halten Sie in den Akten die Absprachen fest, damit Ihnen keine unsorgfältige Mandatsführung angelastet werden kann.

Wenn Sie die Steuererklärung in Vertretung ausfüllen und Belege zur Rückerstattung in Vertretung einreichen, müssten Sie auch die Steuerverfügung und die jeweiligen Abrechnungen erhalten; die Klientin sollte mit Kopien bedient werden. Vielleicht ist es gar nicht notwendig, dass Sie die Eingänge zusätzlich auf dem Konto kontrollieren. Ganz im Sinne der Selbstbestimmung wurde der Klientin der Finanzbereich überlassen. Selbstbestimmung bedeutet, die Konsequenz für das eigene Handeln zu tragen. Sollte der Wunsch bestehen, dass Sie auch die Zahlungseingänge kontrollieren, dann muss die Klientin mit Ihnen kooperieren.

Das Ausfüllen einer einfachen Steuererklärung kostet in der Regel kaum mehr als CHF 200, das könnte man durchaus mit IV und EL bezahlen. Allenfalls gibt es auch einen Treuhanddienst eines Pro-Werks, der das günstig anbietet.

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 18.9.2023

Karin Anderer